Studie an zwei Wiener Volksschulen erfasst 120 Kinder. | Theaterspielen als Entwicklungschance. | Wien. Immer mehr Kinder haben Schwierigkeiten, einen vollständigen Satz zu bilden. Doch gibt es kaum Situationen im Leben, die nicht sprachliche Ausdrucksfähigkeit verlangen.
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Ein neues Konzept für den Schulunterricht soll mit Hilfe von Sprache, Körper und Gefühl Defizite abbauen helfen. Die Lösung heißt Theaterspielen - es erfordert Kreativität, Kommunikation, Teamgeist und Selbstsicherheit, woran es oft mangelt.
"Zuerst sind sie der Busch im Eck. Doch mit der Zeit entwickelt sich immer mehr Kommunikationsfähigkeit und Selbstsicherheit. Und dann spielen sie plötzlich die Hauptfigur", skizzierte Brigitte Sindelar von der Sigmund-Freud-Privatuniversität am Donnerstag im Rahmen der Projektpräsentation die Entwicklung schüchterner, ängstlicher und gehemmter Kinder auf den Brettern, die die Welt bedeuten.
In Zusammenarbeit mit dem Kinderpsychiater Max Friedrich und Sylvia Rotter vom Wiener Kindertheater entstand eine Bildungsinitiative, um die Möglichkeiten theaterpädagogischer Arbeit im Schulunterricht psychologisch-wissenschaftlich zu untersuchen.
Projektschulen in Wien 2 und Wien 22
Projektschulen sind die beiden Wiener Volksschulen Novaragasse in der Leopoldstadt und Esslinger Hauptstraße in der Donaustadt. Die rund 120 Kinder der dritten Klassen werden im Laufe des Jahres mit professioneller Unterstützung ein Theaterstück auf die Beine stellen. Geprobt wird zwei mal zwei Stunden pro Woche - während des Unterrichts. Die vier Grundsäulen sind Improvisation, Musik, Ausdruck und Theater, erklärte Sindelar.
"Kinder können auf der Bühne das große Repertoire des Lebens im Kleinen üben", betonte Friedrich.
Gearbeitet wird nach der Rotter-Methode. Ziel ist es, eine lebendige, kreative und innovative Schule zu schaffen, die jungen Menschen durch Sensibilisierung und Begeisterung zeigt, was es heißt, ein Mensch in der heutigen Zeit zu sein.
Die Rotter-Methode
im Schulunterricht
Gearbeitet wird in Gruppen von 12 Kindern zwischen 5 und 19 Jahren. Die Arbeit funktioniert über soziale, regionale, sprachliche und kulturelle Barrieren hinweg, erklärte Sylvia Rotter. Durch die Theaterarbeit werden Kompetenzen wie Rhetorik, Stressresistenz, Kreativität oder Konfliktbewältigung gefördert.
Vor Beginn der Theaterworkshops werden alle teilnehmenden Kinder psychologisch getestet. So etwa ihre Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Gedächtnisleistung oder Kontaktfähigkeit, Ich-Stärke und Aggressionsbereitschaft. In den Monaten März, April und Mai werden die Workshops durchgeführt. Ende Mai und Anfang Juni wird die psychologische Testbatterie wiederholt, um die Entwicklung der Kinder beurteilen zu können. Der Abschlussbericht soll im September 2008 vorliegen. Krönender Abschluss für die Kinder ist selbstverständlich die Aufführung.
Seitens der Eltern, ohne deren Zustimmung das Projekt nicht möglich wäre, gibt es 100-prozentige Zustimmung, freute sich Friedrich. Und werden die gesetzten Ziele erreicht, soll ein praktischer Maßnahmenkatalog zur Implementierung der Rotter-Methode in die Schulen erstellt werden.