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Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi versucht es mit brutaler Gewalt, das Ergebnis wird nicht anders aussehen als in Ägypten, wo landesweite Massaker vermieden wurden: Der autokratische Herrscher wird am Ende gehen müssen. Ohnmächtig stehen wir da und lassen uns von einem zynischen Sohn Gaddafis erklären, die Zahl der Toten sei doch weit übertrieben.
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Als ob weniger Opfer die Sache irgendwie beschönigen könnten.
Libyen ist mit Ägypten nicht vergleichbar, und die Skrupellosigkeit des Gaddafi-Clans ist höher einzuschätzen als jene von Hosni Mubarak. Dennoch wird auch der gerne in Fantasieuniformen auftretende libysche Herrscher abdanken müssen. Nach seinen Gewaltexzessen bleiben ihm als Exil vermutlich nur noch Venezuela und Nordkorea.
Ohnmacht im Angesicht der (spärlichen) Bilder aus Tripolis oder Benghazi befällt derzeit auch Europa und die USA. Der Ölreichtum des nordafrikanischen Landes bedeutet großes wirtschaftliches Interesse westlicher Konzerne, die sich bisher mit dem Regime perfekt arrangiert haben. Frankreich, Italien, Belgien und Großbritannien lieferten Waffen an Gaddafi - und sollen ihm nun klarmachen, dass er diese nicht gegen die eigene Bevölkerung einsetzen darf. Die Glaubwürdigkeit des Westens steht auf ziemlich wackligen Beinen. Und so ist es auch kein Wunder, dass sich - während noch immer in Tripolis Scharfschützen in die Demonstranten feuern - Bedenkenträger in der Europäischen Union bereits über mögliche Flüchtlingsströme Sorgen machen. Ist es diesen Politikern lieber, die Menschen in Libyen werden erschossen, bevor sie aus dem Land fliehen?
Was in Ägypten noch einigermaßen, wenn auch nach anfänglichem Holpern, funktionierte, droht in Libyen (und auch in anderen Ländern der Region) zum Desaster zu werden. Die freie Welt kann diesen Entwicklungen nur begegnen, wenn sie in diesen Stunden der Entscheidung ihre Doppelmoral aufgibt, und die Aufständischen in der arabischen Welt nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten unterstützt. Zu den geringsten Taten würde gehören, dass Flüchtlinge aus einem Land, in dem de-facto ein Bürgerkrieg tobt, mit offenen Armen aufgenommen werden.