Sonnen-Vitamin D als Gesundheitsquell. | Auf das richtige Maß kommt es an. | Wien. Die ersten heißen Tage ziehen ins Land und schon warnen Hautärzte eindringlich vor den Gefahren des Sonnenkonsums: "Die beste Hautkrebs-Vorsorge ist die Vermeidung von extremer und intensiver Sonnenbestrahlung - also den richtigen Sonnenschutz nicht vergessen", heißt es in der neuen Broschüre "Sonne ohne Reue" der Österreichischen Krebshilfe und der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie.
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Dieser Sonnenschutz sollte "am besten gleich morgens, auf jeden Fall aber 30 Minuten vor dem Sonnenbad" aufgetragen werden, damit der UV-Filter seine optimale Wirkung entfalten kann. Als "richtiger Sonnenschutz" wird bei Menschen mit dem hellsten Hauttyp ein Faktor von mindestens 50 empfohlen und selbst dunkle Hauttypen sollten demnach den Sonnenschutzfaktor 20 verwenden. Mittagssonne zwischen 11 und 15 Uhr sei zu meiden, Kinder unter einem Jahr seien überhaupt von direkter Sonne fernzuhalten.
Sonne gegenKrebserkrankungen
Doch diese Empfehlungen sind nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht mehr haltbar: "Die Schwarz-Weiß-Botschaft der Dermatologen, dass man so wenig wie möglich in die Sonne gehen soll, kann man so nicht stehen lassen", erklärt Jörg Reichrath, leitender Oberarzt der Universitäts-Hautklinik des Saarlandes in Homburg. Er gilt als der deutschsprachige Experte für die biologische Wirkung des Sonnenlichts und wurde vor eineinhalb Jahren für seine Forschungen mit dem hoch dotierten Arnold-Rikli-Preis ausgezeichnet.
Was unbedingt berücksichtigt werden müsse, seien die vielfältigen Wirkungen von Vitamin D, das in erster Linie durch die direkte Einstrahlung der Sonne auf die Haut gebildet wird, erläutert Reichrath. So weiß man inzwischen, dass sich die UV-Strahlung und damit Vitamin D positiv auf die Knochen und das Herz-Kreislaufsystem auswirkt, den Blutdruck senkt und das Immunsystem stärkt. Inzwischen sei ebenfalls bekannt, dass Vitamin D in den meisten Organen auch das Zellwachstum reguliert.
Zahlreiche Studien zeigen, dass das ausreichende Vorhandensein dieses Stoffes das Risiko deutlich senkt, etwa an Brust-, Eierstock-, Prostata- oder Darmkrebs zu erkranken. "Es gibt Schätzungen, dass jedes Jahr mehr als 20.000 US-Amerikaner aufgrund zu geringer UV-Exposition sterben", zitiert Reichrath wieder aus Studien.
Die "tödliche UVB-Strahlung" auf einmal als Lebensretter? Im Prinzip ja, denn auch der so gefürchtete schwarze Hautkrebs, das maligne Melanom, stehe in keinem Zusammenhang mit einem regelmäßigen aber mäßigen Genuss der Sonne. "Gefahr droht nur bei Sonnenbrand", erklärt der Dermatologe. "Sonne in der richtigen Dosierung", sollte also das neue Credo lauten.
Vitamin-D-Mangelweit verbreitet
Wobei die "richtige Dosierung" offensichtlich neu erlernt beziehungsweise erspürt werden muss: Laut deutscher "Ärzte Zeitung" haben nämlich zwei Drittel aller Bewohner Deutschlands einen zu geringen Vitamin-D-Spiegel. "Auch während des Sommers kann es durch übertriebenen Sonnenschutz zu einem solchen Mangel kommen", heißt es in einem Artikel. Am durchgängigsten ist der Mangel vor allem bei alten Menschen, wobei er in Altersheimen noch einmal deutlicher zutage tritt.
Besonders Osteoporose-Fachärzte werden zunehmend hellhörig: "Durch die herrschende Sonnen-Phobie im Zusammenhang mit den verwendeten hohen Lichtschutzfaktoren kann die Haut kaum Vitamin D bilden", erklärt Kurt Weber von der medizinischen Uniklinik in Graz und Leiter der "Aktion gesunde Knochen". Doch nur, wenn genug Vitamin D vorhanden ist, kann die ausreichende Kalziumaufnahme aus der Nahrung für die Knochen gewährleistet werden.
Ein Vitamin-D-Mangel steht aber nicht nur in engem Zusammenhang mit Osteoporose bei meist alten Menschen, sondern auch mit der Gefahr zu stürzen. "Man geht davon aus, dass 30 Prozent der Frauen und 13 Prozent der Männer über 50 einen Bruch durch Osteoporose haben werden", so Weber. "Es ist erstrebenswert, in die Sonne zu gehen. Das Pendel hat - mit der nun verbreiteten Angst vor jedem Sonnenstrahl - in die falsche Richtung ausgeschlagen", fasst er zusammen - dies gelte auch für Kinder. Ebenso bei Tagescremen, die Lichtschutzfaktoren enthalten, sei ein Umdenken nötig.
Kurz ungeschütztin die Sonne
Wie lange darf und soll man nun ungeschützt in die Sonne? Als Grundregel gilt, dass ein Sonnenbrand unbedingt zu vermeiden ist und dunklere Hauttypen mehr Sonne brauchen als hellere. Weber empfiehlt beispielsweise als Untergrenze drei Mal pro Woche 20 Minuten direkte Sonneneinstrahlung auf Arme, Dekolleté und Gesicht.
Wissen: Vitamin D
(kf) Die Sonne ist zu rund 90 Prozent der Hauptlieferant von Vitamin D - das übrigens, weil im Körper auch selbst gebildet, kein Vitamin, sondern ein Hormon ist. Über die Nahrung wird im Allgemeinen nur sehr wenig Vitamin D aufgenommen da große Mengen lediglich in fetten Fischen wie Hering oder Makrelen enthalten sind. Geringere Mengen an Vitamin D enthalten auch Lachs, Ölsardinen, Thunfisch, Eigelb, Milch, Leber und Vollkorngetreide - allerdings müssten beispielsweise drei bis fünf Eier täglich verzehrt werden, um daraus den Bedarf zu decken. Während durch Sonnenkonsum keine Überdosierung an Vitamin D stattfinden kann, ist bei hohen künstlichen Gaben Vorsicht geboten: Ein Zuviel kann zu Übelkeit, Erbrechen, Nierenproblemen, Kalkablagerungen in den Gefäßen, bis hin zu tödlichen Vitamin-D-Vergiftungen führen. Deshalb können die derzeit erhältlichen Präparate nur einen kleinen Teil des täglichen Bedarfs von schätzungsweise 2000 bis 4000 internationalen Einheiten zuführen. Die Sonne ist daher nicht ersetzbar.