Im Rahmen einer Diskussion zur Zukunft des Sozialstaats des Wiener ÖAAB sprach der deutsche Politikberater Warnfried Dettling am vergangenen Dienstag der derzeitigen Variante die Überlebens- und Zukunftsfähigkeit ab.
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"Die Menschen werden in Zukunft mehr arbeiten, früher in die Arbeitswelt ein- und später aussteigen," skizziert Dettling, einst enger Mitarbeiter von CDU-Quer- und Vordenker Heiner Geissler, die Arbeitswelt für die heutige und die kommenden jungen Generationen und folgert: "Arbeit wird verweiblicht werden, in dem Sinne, dass Unterbrechungen, zeitliche Flexibilität und Unsicherheit zur Norm werden."
Das Dilemma des Sozialstaats bestehe darin, dass je mehr man ihn brauche, desto weniger könne man sich auf ihn verlassen. Dettling führt dies auf eine finanzielle, strukturelle und kulturelle Krise des Sozialstaats zurück. So würden von den heute 20-Jährigen rund 25 Prozent nicht heiraten, auch keine Kinder bekommen und zumindest drei- oder viermal den Beruf wechseln. Dies führe zu mehr Risiken und geringerer Stabilität.
Wenn man bedenke, dass unser Sozialstaat auf den Säulen Familie und Erwerbsarbeit aufbaue, so erleben wir für Dettling nun "das Ende der normalen Normalität". In den Städten geht dieser Wandlungsprozess naturgemäß schneller vor sich als im ländlichen Raum.
Dass Problem sei, dass der Sozialstaat zu wenig aktiviere; in zahlreichen Bereichen fehle es ihm am Wissen um neue soziale Realitäten. In Zukunft werde mehr Eigenvorsorge bei denjenigen, die es sich leisten können, unumgänglich sein. Der Sozialstaat von morgen müsse aktiv werden, solange die Menschen selbst noch aktiv sind, etwa wenn er sich um die Fortbildung der 40- bis 50-Jährigen kümmere, um so sicherzustellen, dass auch tatsächlich bis 65 gearbeitet werden könne.
Für Dettling blickt der Sozialstaat zu sehr rein auf die finanzielle Armut: "Soziale Sicherheit besteht nicht nur darin, dass man Geld, sondern auch darin, dass man eine Aufgabe bekommt."