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Vom Entgleiten einer politischen Strafaktion

Von Wolfgang Tucek

Politik

Fünf Tage nach der Verhaftung von Yukos-Chef Michail Chodorkowski haben russische Behörden gestern ein beträchtliches Aktienpaket des größten Ölkonzern Russlands beschlagnahmt. Die Angst vor der Wiederverstaatlichung russischer Unternehmen wächst. Der Machtkampf im Kreml droht der russischen Wirtschaft bleibenden Schaden zuzufügen.


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Das Vertrauen in die russische Wirtschaft schien sich nach Chodorkowskis Verhaftung und dem darauf folgenden Börsen-Crash gerade wieder zu erholen. Nun schrillen endgültig die Alarmglocken. Nach Berichten über den Rücktritt des einflussreichen Stabschefs Alexander Woloschin, beschlagnahmte die russische Staatsanwaltschaft am Donnerstag 44 Prozent der Aktien von Yukos. Ein erneuter Kurssturz folgte.

Putin beharrt indes auf Anfragen stets auf seiner Version der unabhängigen russischen Justiz, die wegen Steuerhinterziehung und Betrug gegen Chodorkowski vorgehen muss.

Ursprung in den 90er Jahren

In Wahrheit könnte die Staatsanwaltschaft gegen so gut wie jeden, der an den undurchsichtigen Privatisierungen der 90er Jahre beteiligt war, ermitteln. Am wenigsten angreifbar scheint da noch Chodorkowski, der Yukos als Vorzeigebetrieb so transparent führt wie kaum ein Unternehmen in Russland.

Seine Verhaftung gilt als deutlicher Warnschuss für die Oligarchen. Jene Gruppe von Wirtschaftskapitänen, die es in den 90er Jahren im russischen Privatisierungs-Chaos unter dubiosen Umständen aus dem nichts zu beträchtlichen Reichtum gebracht haben, war es, auf die sich Putins Vorgänger Boris Jelzin im wesentlichen stützte und ihnen im Gegenzug Narrenfreiheit gewährte. Als Putin an die Macht kam wurde eine Vereinbarung getroffen: Die Umstände der Privatisierungen werden nicht neu aufgerollt, dafür halten sich die Oligarchen aus der Politik.

Chodorkowski brach diese Vereinbarung durch offene Kritik an Putin, die massive finanzielle Unterstützung von liberalen Parteien, die im Kreml in Opposition zu Putin stehen und Andeutungen, 2008 als russischer Präsident kandidieren zu wollen. Der Geheimdienst- und Militärfraktion im Kreml, auf die sich Putin stützt, riss die Geduld. Geheimdienstler, die sich bei den 90er-Privatisierungen übervorteilt fühlten, drängen seit langem auf eine Revision der damaligen Entscheidungen. An Yukos soll nun ein Exempel statuiert werden - und zwar ein beunruhigendes. Eine Rückverstaatlichung russischer Konzerne wäre nach Ansicht von Analysten das Ende des Wirtschaftswunders. Der in London im Exil lebende Oligarch Boris Beresowski warnte gar vor einem "riesigen Bürgerkrieg", den der Kreml anzettle.

Der Rücktritt des aus Jelzin-Zeiten stammenden Chefs der (oft als eigentliche Machtzentrale bezeichneten) Präsidialverwaltung, Alexander Woloschin, ist ein weiteres Zeichen für eine Machtverschiebung im Kreml zugunsten des Sicherheits- und Justizapparates.