Ein französischer Tausendsassa und Parlamentarier erhielt vor kurzem die kosovarische Staatsbürgerschaft.
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Im Alter von drei Monaten wurde ein armes kleines Würmchen auf einer Straße in Seoul ausgesetzt. Eine Polizeipatrouille der südkoreanischen Hauptstadt fand es glücklicherweise rechtzeitig. Das einzige, was sie feststellen konnte, war das Geburtsdatum des Säuglings: der 15. April 1983. Das stand auf einem Stück Papier, das in sein Gewand gesteckt war. Das Baby kam in ein Waisenhaus und wurde Jae-duk genannt. Heute sieht er aus wie die asiatische Antwort auf Harry Potter: dunkelbraunes Haar, Scheitel, Rundbrille, dazu oft noch ein verschmitztes Grinsen. Das Wort, das ihn am besten beschreibt, ist multi. Multikulturell, Multitalent, multilingual, multireligiös, multinational, multi-was-auch-immer. Als erstes fällt sein Name auf, diese Mischung aus hebräisch-deutschem Vornamen und koreanisch-französischem Nachnamen. Denn das Findelkind von damals heißt heute Joachim Son-Forget. Im Alter von neun Monaten wurde er von einem französischen Paar adoptiert. Er wuchs in Langres in der Champagne auf. Als Kind entwickelte er eine ausgeprägte Sozial- und Schulphobie, wie die Schweizer Zeitung "Le Temps" berichtet. Also genoss er Hausunterricht. Seine große Passion galt allerdings dem Klavier und dem Cembalo. Im Alter von 16 Jahren hatte er seine erste Plattenaufnahme. Noch während er sich seinen Weg in die Konzerthallen spielte, begann er zu studieren. Natürlich nicht nur ein Studium, und natürlich nicht nur an einem Ort. Die Eliteuni École Normale Supérieure besuchte er ebenso wie die Descartes Paris und die Universitäten Dijon und Lausanne. Abgeschlossen hat er Kognitionswissenschaften und Medizin. Während seine Adoptiveltern Katholiken sind und die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass seine leiblichen Eltern Buddhisten sind, hat er - wie er erklärte - eine große Passion für seinen jüdischen Glauben. 2008 zog er nach Genf. Ein Jahr später ging er freiwillig in den krisengebeutelten Kosovo, um als Arzt im Krankenhaus von Pristina zu helfen. Wegen seiner Erfahrung und seiner Albanischkenntnisse engagierte ihn das französische Außenministerium für diverse Berichte. 2012 klopfte er bei den französischen Sozialisten an und unterstütze den späteren Präsidenten François Hollande. Allerdings war er alsbald von der Partei enttäuscht: zu altbacken, stellenweise zu elitär, wirtschaftlich unrealistisch - wie er fand. Seine zweite Frau - eine Koreanerin - öffnete ihm die Türe zur Sprache seines Ursprungslandes. Als der heutige Präsident Emmanuel Macron im April 2016 die Partei En Marche gründete, war Son-Forget ein Mann der ersten Stunde. Er kandidierte 2017 für das Amt als Abgeordneter der Auslandsfranzosen in der Schweiz und gewann. Seinen Beruf als Arzt hat er aber nicht aufgegeben und arbeitet am Universitätsspital Lausanne. Seit Juni ist er außerdem noch Kosovare - eine Anerkennung von Präsident Hashim Thaqi während seines Paris-Besuchs. Doch wie zu erwarten war, will Son Forget mehr. Erst kürzlich erklärte er, sich in Genf eher zu Hause zu fühlen als in Paris, weshalb er schon bald die Schweizer Staatsbürgerschaft beantragen wolle. Von diesem Tausendsassa wird die Welt mit Sicherheit bald noch mehr hören.