Anwar Ibrahim ist neuer Regierungschef von Malaysia. Ob er dem Land Stabilität bringt, wird sich weisen.
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Es war ein politischer Zweikampf, der die Politik von Malaysia lange Zeit geprägt hat: Der zwischen dem Langzeit-Premier Mahathir Mohamad und seinem einstigen Weggefährten Anwar Ibrahim.
Die beiden bildeten lange Zeit ein Team, und Anwar, der schon seit seiner Zeit als Student politisch äußerst aktiv war, war von dem älteren Mahathir als Nachfolger aufgebaut worden. Doch Ende der 1990er zerstritten sie sich. Warum genau, liegt bis heute im Dunkeln. Mahathir meinte, dass man gegensätzlicher Meinung gewesen wäre, wie das Land der schweren Finanzkrise, die Südostasien damals erfasste, begegnen solle. Und er sprach von einem zweifelhaften Charakters Anwars.
Es folgte eine Flut äußerst zweifelhafter Anklagen und Gerichtsprozesse gegen Anwar, die den einstigen Finanzminister und Vizepremier, der ein großes Talent für die Mobilisierung von Massen besitzt, jahrelang hinter Gitter brachten. Anwar wurde wegen Korruption und wegen - im großteils moslemischen Malaysia verbotener - Homosexualität verurteilt. Zivilgesellschaftliche Verbände hatten sofort darauf hingewiesen, dass diese Prozesse auf falschen und erzwungenen Aussagen beruhten. Und nicht nur Menschenrechtsorganisationen, sondern auch viele Regierungen sahen Anwar als politischen Häftling an. Dieser wiederum hielt weiter eisern an seinem Ziel fest, eines Tages noch Premier seines Landes zu werden.
Die Malaien werden auch unter Anwar bevorzugt
Am Donnerstag hat sich sein Traum erfüllt: Der 75-Jährige wurde von König Abdullah im Palast der Hauptstadt Kuala Lumpur angelobt. Anwars Bündnis, die Allianz der Hoffnung, hatte bei der Wahl am Samstag 82 der 222 Parlamentssitze gewonnen. Das reichte zwar nicht für eine Mehrheit, doch hat es Anwar geschafft, eine Koalition zu schmieden. Es gelang ihm nämlich, sich die Unterstützung von Regionalparteien, etwa aus dem Bundesstaat Borneo, zu sichern. Damit hielt er die Nationale Allianz, die 73 Mandate erhalten hatte und ebenfalls eine Regierung bilden wollte, auf Distanz.
Bei seiner Antrittsrede stellte Anwar gleich ein Thema in den Mittelpunkt, das er schon lange immer wieder anspricht: die Korruption. Er versprach, dass seine Regierung eine saubere sein werde. Als ersten Schritt seiner Administration kündigte er an, die Ministerzahl zu senken und auch gleich die Gehälter der Minister zu kürzen.
Zudem ging er auf einen seit jeher heiklen Punkt der malaysischen Politik ein: nämlich das Verhältnis der einzelnen Volksgruppen zueinander.
In dem 32-Millionen-Einwohner-Staat leben Malaien, Chinesen, Inder und indigene Volksgruppen zusammen. Anwar will offenbar einen Balanceakt hinbekommen.
Er betonte, dass er an den Sonderrechten der Malaien, die mit etwa der Hälfte der Einwohner die größte Volksgruppe bilden, festhalten werde. Diese umfassen etwa die Bevorzugung bei der Besetzung von Stellen im öffentlichen Dienst. Gleichzeitig sagte der einstige Anführer einer islamischen Bewegung, dass seine Regierung für alle Malaysier, unabhängig von der Herkunft, da sein werde.
Viele Malaysier hoffen jedenfalls nach Jahren der politischen Wirren auf Stabilität. In den vergangenen vier Jahren gab es nämlich drei verschiedene Regierungschefs.
Anwar trete sein Amt zu einem äußerst schwierigen Zeitpunkt an, sagt der Malaysia-Experte James Chai vom in Singapur beheimateten ISEAS-Yusof Ishak Institute. "Die Politik ist in viele Fraktionen zersplittert, das Land erholt sich erst von einer wirtschaftlichen Talfahrt und den bitteren Erinnerungen an die Corona-Pandemie", analysierte Cha im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters. Doch sei Anwar dafür bekannt, dass er verschiedene Lager einen könne, weshalb er vielleicht gerade zum richtigen Zeitpunkt nun an der Regierunsspitze steht.
Außerdem kann Anwar wohl damit rechnen, dass sein Kampf mit Mahathir endlich beendet ist. Dieser ist mittlerweile 97 Jahre alt und hat nun bei der Wahl seinen Parlamentssitz verloren. Mahathir, der von 2018 bis 2020 der älteste Premier der Welt war, kündigte an, sich nun aus der Politik zurückzuziehen.