Muss der Arbeitgeber seine Mitarbeiter unterstützen, wenn diese gegen unberechtigte Kundenbeschwerden rechtlich vorgehen wollen?
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In einer modernen Dienstleistungsgesellschaft ist es nicht ungewöhnlich, dass Kunden ihre Unzufriedenheit über die Qualität der Dienstleistung gegenüber dem Unternehmen artikulieren. Unter bestimmten Umständen kann eine solche Kundenbeschwerde jedoch für die betroffenen Mitarbeiter nachteilige Folgen haben und sogar zum Jobverlust führen.
Das Arbeits- und Sozialgericht Wien hatte unlängst über die Folgen einer Beschwerde bei einem städtischen Verkehrsbetrieb zu entscheiden. Ein Fahrgast hatte sich beim Kundendienst per E-Mail über die Verspätung der Straßenbahn und darüber beschwert, dass der Fahrer während der Fahrt eine Zeitung gelesen habe. Da jedoch die Vorwürfe als haltlos bewertet wurden, sah der Arbeitgeber von disziplinären Konsequenzen ab. Der Straßenbahnfahrer verlangte jedoch vom Arbeitgeber die Bekanntgabe der Kontaktdaten des Kunden, der sich über ihn beschwert hatte, weil er gegen diesen wegen Kreditschädigung rechtlich vorgehen wollte. Der Arbeitgeber verweigerte dies unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Bedenken.
Die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht gebietet dem Arbeitgeber, neben vermögensrechtlichen Interessen seiner Arbeitnehmer auch deren Persönlichkeitsrechte zu schützen. Der Arbeitgeber kann auch verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer die gerichtliche Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche gegenüber Dritten zu ermöglichen. So entschied etwa der OGH, dass der Arbeitgeber den für die Werkssicherheit zuständigen Mitarbeiter nennen muss, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund von Eisglätte auf einem Werksgelände zu Sturz kommt und sich zwei Rippen bricht (OGH 8 ObA 4/09k).
Im vorliegenden Fall wollte der Straßenbahnfahrer gegen den Kunden mit einer Unterlassungsklage vorgehen. Nach Ansicht des OLG Wien hat jedoch der Arbeitgeber diesem Verlangen des Arbeitnehmers nur insoweit nachkommen, als er dabei nicht gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstößt. Die Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz ist mit einer Verwaltungsstrafe von bis zu 25.000 Euro bedroht (§ 52 Datenschutzgesetz - DSG). Zur Lösung dieses Interessenkonflikts verlangt das DSG eine Abwägung der beidseitigen Interessen. Anders als im oben erwähnten Fall des verunglückten Arbeitnehmers hat der Straßenbahnfahrer keine Nachteile durch die Kundenbeschwerde erlitten. Dies dürfte nach Ansicht des OLG Wien gegen die Bekanntgabe der Identität des Kunden sprechen, weil hier das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen überwiegt.
Dennoch gab das OLG Wien der Berufung des Fahrers statt und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung zurück. Es sei im konkreten Fall nicht festgestellt worden, ob der Arbeitgeber überhaupt über eine "individualisierte E-Mail-Adresse" des Kunden verfügt. Im Verfahren war vom Arbeitgeber die Beschwerde mit geschwärzter E-Mail-Adresse des Absenders vorgelegt worden. Sollte sich herausstellen, dass die Identität des Kunden aus der E-Mail-Adresse nicht bestimmbar ist, so unterlägen diese Informationen gar nicht dem Datenschutz. Aus dem Text war die Identität des Kunden jedenfalls nicht zweifelsfrei bestimmbar, dieser wurde nämlich wie folgt unterschrieben: "ein verärgerter Jahreskartenbesitzer".