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Vom Gemeindebau an die Uni

Von Bettina Figl

Politik

Das deutsche Erfolgsprojekt läuft in Österreich erst schleppend an.


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Wien. Wie finanziert man ein Studium? Was kann man studieren? Und wozu überhaupt studieren, wenn man auch gleich Geld verdienen kann? Über 1000 Fragen wie diese werden jährlich an Mitarbeiter von "Arbeiterkind" gestellt. Seit fünf Jahren unterstützt "Arbeiterkind" in Deutschland vornehmlich Jugendliche, die in nicht-akademischen Familien aufgewachsen sind und sich für ein Uni-Studium interessieren.

In Deutschland wird, wie in Österreich, Bildung nach wie vor sehr stark vererbt (siehe Grafik). Dass man als Arbeiterkind gegen viele Barrieren kämpfen muss, um an einer Uni studieren zu können, weiß "Arbeiterkind"-Gründerin Katja Urbatsch aus eigener Erfahrung: Auch sie hat als Erste in ihrer Familie studiert und hat noch während ihrer Studienzeit Arbeiterkind.de gegründet. Ursprünglich war das Projekt nur für Gießen und Umgebung geplant, heute gibt es Gruppen in 70 deutschen Städten und rund 5000 ehrenamtliche Mitarbeiter.

In Österreich bisher kaum Mentoring-Paare

Der österreichische Ableger startete vor zwei Jahren, aber anders als in Deutschland nimmt sich der Erfolg eher bescheiden aus, es gibt noch kaum Mentoring-Paare (ein Mentor ist ein Student oder Akademiker, der einem jungen Menschen zur Seite gestellt wird, um ihm bei Fragen oder Problemen im Studium zu unterstützen, Anm.). Wer einen Mentor sucht oder selbst einer werden möchte, geht am besten zu einem der Stammtische (siehe Kasten).

"Auch in Deutschland gibt es Gruppen, die besser laufen als andere", sagt Carolin Mieckley von Arbeiterkind.de. "Manchmal passiert nicht viel, bis plötzlich jemand neu dazustößt und beispielsweise an seine alte Schule geht."

"Die Studenten kommen

oft zuerst zu uns"

In Berlin gibt es seit diesem Jahr eine wöchentliche Sprechstunde an der Uni. Gefragt wird nach der Finanzierung des Studiums, den Studienfächern, aber auch nach dem Auslandssemester, sagt Mieckley: "Bei uns ist das noch nicht so verbindlich, wie wenn man sich direkt an die Uni wendet. Deshalb kommen viele zuerst zu uns." Interessiert sich jemand beispielsweise für ein Auslandssemester in Schweden, versucht sie jemanden zu finden, der schon mal dort studiert hat. Sonst wird auf Eigeninitiative gesetzt: Sucht jemand einen Mentor, wird er zu einen der 70 Stammtische geschickt.

ÖH fordert Reform des Beihilfensystems

Wie wichtig Vorbilder sind, um jungen Menschen ihre Berührungsängste zu nehmen, weiß auch der Kunstvermittler Walter Stach. Er ist einer der Organisatoren des Arbeiterkind-Stammtischs in Wien und ebenfalls Arbeiterkind, aufgewachsen bei seiner alleinerziehenden Mutter im Gemeindebau in Wien-Meidling. Nur durch Lehrer, die ihn förderten und seine Mutter überredeten, ihn studieren zu lassen, war es ihm möglich, an der Akademie der bildenden Künste zu studieren - und durch die Studienbeihilfe.

Doch diese wurde 2011 gekürzt und bedarf dringend einer Reform, sagt Florian Kraushofer vom Vorsitzteam der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH): "Durch sinkende Beihilfen werden immer mehr Interessierte vom Studieren abgehalten", und: "Wer arbeiten muss, um sich das Studium leisten zu können, läuft Gefahr, dadurch auch gleich alle Beihilfen zu verlieren. Viele Studierende aus sozial schwächeren Familien müssen deshalb schon zu Beginn ihr Studium wieder abbrechen oder werden schon zuvor durch Aufnahmeprüfungen, Studiengebühren und die fehlende soziale Absicherung Studierender abgeschreckt."

Speed-Dating mit Kunststudenten im Turnsaal

Walter Stach ist auch beim Projekt "die Akademie geht in die Schule" aktiv. Im Zuge dessen gehen Künstler und Kunststudenten an Neue Mittelschulen (NMS), um den Schülern von der Möglichkeit Kunst zu studieren, zu erzählen: "Viele wissen das gar nicht", sagt Stach. Der Infoaustausch findet meist in Form von "Speed Dating" in Turnsälen der NMS statt: Sieben Minuten haben die Schüler Zeit, den Studierenden ihre Fragen zu stellen. Manchmal führt der Weg vom Gemeindebau an die Uni eben über den Turnsaal.

"Arbeiterkind" geht an Schulen und ist bei Berufsmessen vertreten. Alle zwei Wochen gibt es beim "Arbeiterkind"-Stammtisch in Wien die Gelegenheit, Fragen zum Studium zu stellen und einen Mentor zu finden. Nächster Termin: 9. Jänner, 18 Uhr im Café Rathaus. www.arbeiter-kind.at