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Vom Hausverstand zur Garantie von Kurz

Von Karl Ettinger

Politik

Wegen des Corona-Risikos im Herbst empfiehlt die Regierung dringend eine Obergrenze von 25 Personen bei Privatfeiern. Der Bundeskanzler prophezeit mit der Ampel regional auch verschärfte Maßnahmen: "Alles andere wäre ein Wunder."


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Vier Männer, vier ernste Mienen: Im Gänsemarsch betrat das türkis-grüne Quartett den Kongresssaal im Bundeskanzleramt, um hinter Plexiglas den Medien über den ersten Ministerrat nach der Sommerpause zu berichten. Es gab ohnehin nur ein Thema: Corona. Zum ersten Mal seit längerer Zeit traten Bundeskanzler Sebastian Kurz und Innenminister Karl Nehammer von der ÖVP sowie Vizekanzler Werner Kogler und Gesundheitsminister Rudi Anschober von den Grünen gemeinsam auf. Allein dieser Auftritt zu viert sollte den Österreichern signalisieren, dass sich die Lage bei den Corona-Infektionen verschärft hat.

"Es ist Licht am Ende des Tunnels", wiederholte Kurz anfangs seine optimistische Prognose vom Freitag, die sich auf den kommenden Sommer bezogen hatte. Allerdings gilt es bis dahin, die kälteren Jahreszeiten zu überstehen. Es müssten sich "alle gemeinsam anstrengen, dass wir gut durch den Herbst kommen", mahnte der Regierungschef.

Empfehlung vor strengeren verpflichtenden Maßnahmen

Damit waren Ton und Sinn des Aufmarsches des Quartetts an diesem strahlenden September-Mittwoch vorgegeben. Den Österreichern wurde mit Nachdruck ans Herz gelegt, sich bei den Corona-Maßnahmen im Herbst und Winter mehr zusammenzureißen, damit die Regierung nicht wieder zu verpflichtenden Beschränkungen greifen muss. Der wichtigste Ratschlag zielte auf den Privatbereich ab. Bei Familienfeiern oder sonstigen privaten Zusammenkünften wie dem gemeinsamen Fußball-Schauen sollten höchstens 25 Personen anwesend sein. Das sei die "dringende Empfehlung", beschwor Kurz die Österreicher nach dem Ministerrat, private Feiern "auch mit Hausverstand abzuhalten". Auf Nachfrage wollte er später keinen Widerspruch zu gesetzlichen Vorgaben sehen: "Es braucht klare Regeln. Gott sei Dank gibt’s auch den Hausverstand. Ich sehe da kein Entweder-oder."

Vorerst setzt Türkis-Grün auf die Eigenverantwortung der Menschen. Die von Kurz am Montag angedeutete Verschärfung von Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Infektionen wird es zunächst nicht geben. Allerdings ließ der Bundeskanzler keine Illusionen aufkommen. Denn mit dem Start der Corona-Ampel am Freitag mit den Farben Grün, Gelb, Orange und Rot wird die Möglichkeit geschaffen, lokal mit strengeren Vorschriften je nach Corona-Situation vorzugehen.

Kurz gab gegen Ende der Pressekonferenz sogar eine Garantie ab, dass es im Herbst zu solchen Situationen kommen werde. "Wir werden in den betroffenen Regionen natürlich stärkere rechtsverbindliche Maßnahmen erleben. So viel kann ich Ihnen heute garantieren. Alles andere wäre ein Wunder", sagte der Bundeskanzler. Das könnte etwa konkret Beschränkungen für Feiern in Lokalen bedeuten.

Nachdem zuletzt wegen der Corona-Epidemie vor allem Kurz und Anschober im Scheinwerferlicht gestanden sind, steuerte nach dem Ministerrat auch Vizekanzler Kogler seine Warnung in gewohnt bodenständiger Weise bei: Beim Rückzug in die Innenräume "kuschelt das Virus mit". Die Menschen müssten "die Achtsamkeit stärker in den Vordergrund rücken". Andernfalls müssten strengere Maßnahmen gesetzt werden. Anschober lieferte als Gesundheitsminister vor allem auch praktische Tipps mit wie Stoßlüften: "23, 24, 25 Grad, das ist zu viel." Die wichtigsten Regeln für den Herbst sind Hygienevorschriften und Mindestabstand einhalten. Wo das nicht möglich ist, sei der Mund-Nasen-Schutz aufzusetzen. Innenminister Karl Nehammer war die Rambo-Rolle in dem Quartett zugedacht. Man werde bei der Einhaltung der Quarantäne für Personen "den Kontrolldruck weiter verschärfen", sagte der Innenminister in dazu passend scharfem Ton.

Mancher Österreicher mit Hausverstand wird sich nun fragen, warum seit Anfang September Veranstaltungen in Innenräumen mit bis zu 5000 Zuschauern erlaubt sind, während die Regierung bei privaten Feiern inständig eine Obergrenze von 25 Personen empfiehlt. Das grüne Duo Kogler-Anschober begründete dies damit, dass den Behörden für Veranstaltungen eigene Präventionskonzepte samt Kontaktnachverfolgung vorgelegt werden müssen.

Noch zweimal Telefonate mit den Landeshauptleuten

Ob es stimme, dass die ÖVP mehr rechtliche Verpflichtungen wollte und die Grünen mehr Empfehlungen? Kurz und Kogler parierten die Frage einhellig. "Die Koalitionsampel steht auf Türkis-Grün", stellte der Bundeskanzler mit smartem Lächeln fest.

Welche Farbe die Corona-Ampel in einzelnen Bezirken zeigt, ist bis Freitag ungewiss. Noch wird an der Feinabstimmung gearbeitet. Für Mittwochabend war ein Telefonat Anschobers mit den Landeshauptleuten angesetzt, wie zu erfahren war. Am Donnerstag berät die Expertenkommission, die für die Politik die Vorschläge für die Ampel aufgrund der aktuellen Corona-Lage erstellt. Weil zuletzt Länderchefs wegen fehlender Information von Bundesseite gemault haben, ist geplant, dass Anschober die Länderchefs am Donnerstagabend erneut telefonisch informieren wird.

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) hat bereits am Montag bei einer Videokonferenz darauf gedrängt, dass es für Kultur- und Sportveranstalter auch mit der Corona-Ampel eine gewisse Planbarkeit geben müsse. Daneben waren noch manche Fragen zu klären. Etwa: Was passiert, wenn ein Schüler aus einem Bezirk, für den die rote Ampel gilt, in einem Bezirk mit grüner Ampelfarbe in die Schule geht. Des Rätsels Lösung wird die Bevölkerung am Freitag erfahren.