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Die aktuellen Umfragewerte zur Erweiterung und zur neuen Verfassung der EU geben Karl Doutlik, Leiter der Vertretung der Kommission in Österreich, zu denken. Was hier aus seiner Sicht schiefgelaufen ist und weshalb die Union "neue Kunden" braucht, erläutert er im Interview mit der "Wiener Zeitung".
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Die Europäische Union als "Eliteprojekt" zu bezeichnen lehnt Karl Doutlik ab, "das ist mir zu hart". Es gebe sehr wohl mehr oder weniger Europa-Interessierte. "Aber es ist wie bei einer Firma und ihren Kunden", greift der ehemalige Geschäftsführer von Eternit Tiefbau zu einem Vergleich aus dem Unternehmensbereich. Ein gutes Unternehmen bindet seine Kunden ein, "was wir aber brauchen, sind Neukunden", formuliert Doutlik seinen Anspruch als Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, mehr Breitenwirkung erzielen zu wollen. Er übt das Amt seit gut einem halben Jahr aus und fasst seine Funktion "eindeutig als Botschafter der EU" auf, als Vermittler der Botschaft eines "weiter vereinten und vertieften Europas".
Doutlik, ganz Europäer, ist überzeugt: "Wir brauchen Europa, und dazu soll jeder etwas beitragen." Europa sei nach wie vor "eine Kopfangelegenheit und muss erst ein Herzensprojekt werden", gibt Doutlik zu; sein Wunschziel lautet denn auch: "Vom Hirn zum Herz".
"Mediale Volksmeinung"
Was ist bisher schiefgelaufen? Nach Ansicht des EU-Vertreters in Österreich, der seinen Sitz am Wiener Kärntner Ring hat, ist Politik auf Ebene der Mitgliedstaaten bisher zu sehr nach "medialer Volksmeinung" ausgerichtet. Doutlik würde sich von Österreich eine nach strategischen Zielsetzungen ausgerichtete Politik wünschen, etwa auch was das Vorgehen in der Transitproblematik betrifft. Auf die Frage, ob die österreichische Position, auf die Transitlawine mit sektoralen Fahrverboten zu reagieren, rechtens sei, nimmt Doutlik diplomatisch Stellung: "Wenn zwei Partner der Meinung sind, jeweils die richtige Position zu haben, und kein anderer Ausweg gangbar erscheint, ist es ganz normal, ein Gericht anzurufen." Zu den weiteren österreichischen "Empfindlichkeiten" zählt er die Nuklearpolitik, die Verfügbarkeit über die Wasserressourcen und die Gentechnik.
Angesprochen auf die für die Kommission unerfreulichen Vorfälle beim EU-Statistikamt Eurostat, sagt Doutlik, das sei "höchst bedauerlich", allerdings habe die Kommission sofort nach Vorliegen von ersten Beweisen mit einschneidenden Maßnahmen reagiert.
"EU-Politik ist nicht Fremdbestimmung"
Hinsichtlich der Handhabung der EU-Politik in den Mitgliedstaaten konstatiert der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich einen bekannten Reflex: Für unangenehme Beschlüsse würde allzu gerne der "fernen" EU der Schwarze Peter zugeschoben - obwohl selbstverständlich die heimischen Minister und Europaparlamentarier an allen Beschlussfassungen beteiligt sind. "EU-Politik ist nicht Fremdbestimmung, und sie ist auch nicht Außenpolitik." Die Verflechtung der europäischen Beschlüsse mit dem Inland müsste noch viel mehr ins Bewusstsein gerückt werden. "Da gehört noch viel gemacht", fordert Doutlik. "Es muss uns gelingen, die EU-Politik noch besser über alle Medien zu kommunizieren. Die Information hat es schon bisher gegeben, aber wir müssen uns noch mehr bemühen."
Weitere Hoffnungen, um Europa "transparenter und bürgernäher" zu machen, setzt Doutlik in die Konventsarbeit und den vorgelegten Verfassungsentwurf. Darin seien etwa die gesetzgebenden Beschlussverfahren reduziert und alle geltenden Verträge zu einem einzigen Vertrag zusammengefasst worden. "Das war bisher nicht der Fall, wer hat da noch einen EU-Vertrag verstanden?".
Der Konvent sei eine "Jahrhundertentscheidung" gewesen, "wir haben ja gesehen, dass wir mit der Regierungskonferenz alleine nicht weiterkommen". Und Doutlik macht aus seinen persönlichen Bedenken kein Geheimnis, den Verfassungsentwurf neu aufzuschnüren und die im Konvent erzielten Kompromisse wesentlich zu ändern. Das könnte zu einem Tauschhandel führen. "Das ist dann wie mit der Flasche und dem Geist."
Warnung vor der Flasche mit dem Geist
Doutlik sieht auch den Vorschlag des Konvents, in Zukunft die Kommission auf 15 stimmberechtigte (und weitere nicht stimmberechtigte) Kommissare zu verkleinern - was ja die österreichische Regierung vehement ablehnt - nicht so problematisch. Wien beharrt auf dem Prinzip "ein stimmberechtigter Kommissar pro EU-Land". Doutlik findet hingegen, dass nicht jeder Kommissar ein Portfolio haben (und damit im Kollegium stimmberechtigt sein) muss. Die Kommission und ihre Generaldirektionen sollten nicht wieder "zerstückelt" werden; zumal erst in den letzten Jahren "größere Pakete" wie Transport-Energie und Industrie-KMU (kleine und mittlere Unternehmen) zusammengelegt und damit positive Effekte erzielt worden seien. "Alles in allem", resümiert Doutlik, "haben jedenfalls der Konvent und sein Produkt die EU ein großes Stück weiter gebracht. Man muss Geduld haben, auch Rom ist nicht an einem Tag gebaut worden".
Zur Person:
Der gebürtige Salzburger Karl Georg Doutlik (57) ist Diplomingenieur für Kulturtechnik und Wasserwirtschaft (Universität für Bodenkultur, Wien und Lehigh University, Pennsylvania/USA). Er arbeitete fast drei Jahrzehnte für die Eternit Tiefbau GmbH, 1998 stieß er zur Europäischen Kommission. Doutlik war zuerst Referatsleiter in der GD Unternehmen (zuständig für Umweltaspekte, dann für Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen). Seit Dezember 2002 ist er Leiter der Vertretung der Kommission in Wien.