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Geldflüsse spielten im Wahlkampf 2019 in mehrfacher Hinsicht eine große Rolle.
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Ibiza und die Folgen: Noch nie waren die Geldflüsse von Parteien derart zentrales Thema eines Wahlkampfes. Vieles von dem, was seit der Veröffentlichung des Videos passierte, harrt noch einer politischen, teils auch rechtlichen Aufklärung nach der Wahl - die Geschichte des Wahlkampfes im Schnelldurchlauf.
17. Mai - Die Ibiza-Affäre: Eine Finca im spanischen Ibiza, eine falsche russische Oligarchin, eine verhängnisvolle Falle: An jenem Freitag um 18 Uhr beginnt in Österreich eine politische Zäsur. Die "Süddeutsche Zeitung" und der "Spiegel" veröffentlichen jenes Video, in dem die damaligen FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus im Sommer 2017 über Staatsaufträge für eine vermeintliche russische Oligarchin gegen Parteispenden über parteinahe Vereine und von einer Übernahme der "Kronen Zeitung" fantasiert. Der Ibiza-Skandal sprengt die türkis-blaue Regierung bereits tags darauf. Strache tritt als Vizekanzler zurück. Der damalige Kanzler Sebastian Kurz ruft in den samstäglichen Abendstunden mit den Worten "Genug ist genug" Neuwahlen aus.
26. Mai - Eine bemerkenswerte Europawahl: Fast eine Woche nach Ausbruch der Ibiza-Affäre wird in Österreich das Europäische Parlament gewählt. Die Wahl ist in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert. Die beiden Regierungsparteien nehmen keinen wirklichen Schaden durch das Skandal-Video. Die ÖVP liegt weit voran und legt zu. Die Freiheitlichen verlieren nur wenig und erreichen fast ein Fünftel der Wähler. Strache bekommt trotz Ibiza-Video 45.000 Vorzugsstimmen bei der EU-Wahl, er nimmt das Parlaments-Mandat aber schlussendlich nicht an.
Auch eine Politikverdrossenheit ist nicht zu spüren: Die Wahlbeteiligung legt um mehr als 14 Prozentpunkte zu, fast 60 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher gehen zur Wahl.
27. Mai - Der Sturz von Sebastian Kurz: SPÖ, FPÖ und Jetzt bringen ein historisches Misstrauensvotum gegen Kurz im Parlament ein, das ihn samt seines kurz davor vorgestellten Übergangskabinetts stürzt.
30. Mai - Die erste Kanzlerin Österreichs: Bundespräsident Alexander Van der Bellen stellt die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs Brigitte Bierlein als interimistische Kanzlerin vor. Vizekanzler und Justizminister wird der ehemalige Verwaltungsgerichtshof-Präsident Clemens Jabloner. Am 3. Juli wird die Übergangsregierung angelobt. Politische Zurückhaltung bis zur Übergabe an eine neue Regierung nach der Wahl, lautet die Devise des Kabinetts Bierlein.
12./13. Juni, 2. Juli - Das "freie Spiel der Kräfte": Vom Verbot von Plastiksackerln und Glyphosat über die Valorisierung des Pflegegelds und Geld für den Ausbau von Ganztagsschulen bis hin zur Einführung des Rauchverbots in der Gastronomie und einem Rechtsanspruch auf den Papamonat - im Parlament finden sich nun sehr unterschiedliche Mehrheiten unter den Parteien. Beim Wahltermin am 29. September ist man sich nach Querelen dann doch einig.
3. Juli - Neue Regeln für Parteispenden: Die Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und Jetzt fixieren im Nationalrat gegen die Stimmen von ÖVP und Neos ein neues Parteiengesetz. Kernpunkte sind niedrigere Obergrenzen bei Parteispenden (höchstens 7500 Euro für die einzelne Spende und 750.000 Euro jährlich) und deutlich höhere Strafen bei Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze. Größter Kritikpunkt: Geldflüsse über Vereine bleiben trotz Ibiza intransparent.
9. Juli - WKStA ermittelt gegen FPÖ-, ÖVP- und SPÖ-nahe Vereine: Nach Medienberichten über parteinahe Vereine startet die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Ermittlungen, erst im Umfeld der FPÖ, dann auch in jenem von Gewerkschaften, SPÖ und ÖVP. Trotzdem wird später bekannt, dass der FSG-Verein "Gewerkschafter in der SPÖ" 300.000 Euro der SPÖ-Wahlkampf-Kosten übernimmt.
20. Juli - Die Schredder-Affäre: Die Wochenzeitung "Falter" deckt auf, dass ein ÖVP-Mitarbeiter des Kabinetts Kurz knapp nach dem Ausbruch der Ibiza-Affäre fünf Festplatten aus dem Kanzleramt entwendete und persönlich schreddern ließ. Der Mitarbeiter gab dabei einen falschen Namen an und bezahlte die Rechnung nicht. Die Behörden ermittelten gegen ihn, konnten aber keinen Zusammenhang zwischen dem Schreddern und der Ibiza-Affäre ausmachen.
13. August - Die Causa Casinos: Die Korruptionsstaatsanwaltschaft führte unter anderem bei Strache und Gudenus Hausdurchsuchungen durch. Im Fokus steht bis heute die Bestellung des Wiener FPÖ-Bezirksrats Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria. Laut einer anonymen Anzeige soll es eine ÖVP-FPÖ-Einigung gegeben haben, den blauen Schützling auf einem Ticket des Casinos-Miteigentümers Novomatic in den Vorstand einziehen zu lassen. Dafür sollen die Freiheitlichen signalisiert haben, etwaige Gesetzesänderungen beim verbotenen kleinen Glücksspiel vorzunehmen. Es gilt die Unschuldsvermutung. Alle Beteiligten wiesen die Vorwürfe stets von sich.
20. August - Parteispenden der ÖVP: Um Medienberichten zuvorzukommen, veröffentlichte die ÖVP die Spenden an die Bundespartei aus 2018 und dem ersten Halbjahr 2019. Insgesamt flossen in diesem Zeitraum 2,76 Millionen Euro an die Türkisen. Größte Einzelspenderin war Milliardärin Heidi Goess-Horten.
5. September - Hackerangriff: Nach einem weiteren "Falter"-Artikel über ihre Buchführung, Wahlkampfkosten und Überschreitungen berichtet die ÖVP von einem Hackerangriff auf die Parteizentrale. Die Partei klagt die Wochenzeitung "Falter", man habe die Öffentlichkeit nicht "bewusst" getäuscht.
19., 25. und 26. September - Wahlkampf im Nationalrat: Der Nationalrat beschließt die Entlastung geringerer Einkommen über die Sozialversicherung, mehr Geld für Langzeitarbeitslose, eine neue Hacklerregelung, Pensionserhöhungen, ein Ökostromgesetz, ein Gewaltschutz-Paket und anderes mehr. Außerdem sprechen sich die Abgeordneten - ohne die FPÖ - für einen Klimanotstand aus. Insgesamt kostet das "freie Spiel der Kräfte" im Parlament laut Finanzministerium zusätzlich vier Milliarden Euro.
23. September - Straches Spesenaffäre: Ex-FPÖ-Parteichef Strache ist mit einer weiteren Anzeige wegen möglicher Ungereimtheiten seiner Spesenabrechnungen konfrontiert, Strache selbst spricht von "Verleumdungen". Vor der Wahl bestätigte die FPÖ noch das mit 10.000 Euro monatlich gefüllte Spesenkonto und 2500 Euro Mietkostenzuschuss, das parteiinterne Prüfergebnis und Konsequenzen will die FPÖ erst nach der Wahl veröffentlichen.