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Vom Jäger zum Gejagten

Von Werner Reisinger und Walter Hämmerle

Politik

Hausdurchsuchung beim Verfassungsschutz: Was bisher in der hochbrisanten Causa bekannt ist.


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Wien. Am 28. Februar stürmten auf Anordnung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) schwer bewaffnete Polizeieinheiten die Räumlichkeiten des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) im 3. Wiener Gemeindebezirk. Eine Hausdurchsuchung findet statt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt stellen sich in der Causa mehr Fragen, als es Antworten gibt. Und was die Sache nach verworrener macht: Die wenigen Antworten, die recherchierende Journalisten erhalten, differieren stark, nämlich ja nachdem, wer gerade befragt wird.

Gegen wen und warum
ermittelt die WKStA?

Ermittelt wird gegen vier aktive und einen ehemaligen BVT-Beamten, teilweise wurden auch die Privatwohnungen der Beschuldigten durchsucht. Einer von ihnen ist Peter Gridling, der Chef des BVT. Er befindet sich zurzeit auf Urlaub - nicht wirklich freiwillig, wie "Standard" und "profil" berichten, freiwillig, wie FPÖ-Innenminister Herbert Kickl am Freitag betonte. Brisant ist, dass Gridlings Vertrag am 20. März ausläuft - just jener Tag, indem laut "Kronen Zeitung" ein interimistischer neuer BVT-Chef vorgestellt werden soll. Weitere Beschuldigte sind Gridlings Stellvertreter (seit Ende 2017 aus dem BVT ausgeschieden), der Leiter der IT-Abteilung sowie zwei weitere Beamte. Inzwischen wurden vier Suspendierungen ausgesprochen. Der Vorwurf soll auf Amtsmissbrauch lauten, Bestätigung gibt es jedoch weder seitens des Innenministeriums, noch seitens der WKSTA, da die Causa als Verschlusssache geführt wird. Es soll um Ermittlungen in der Affäre rund um den Wiener Anwalt Gabriel Lansky gehen, aus dessen Kanzlei dem BVT vor Jahren große Mengen Daten zugespielt wurden, die das BVT aber wieder hätte löschen müssen. Damals wurde dem Vorwurf nachgegangen, Lansky habe für Kasachstan spioniert. Zudem soll es um die Weitergabe von in Österreich produzierten nordkoreanischen Passmustern an Südkorea gehen.

Angesichts der Durchführung der Aktion ist es jedoch mehr als fraglich, ob dies die einzigen Ermittlungsgegenstände sind.

Wie wird üblicherweise
bei Hausdurchsuchungen vorgegangen?

Üblicherweise ist es so, dass die Staatsanwaltschaft, die beim Justizministerium ressortiert, bei anstehenden Hausdurchsuchungen beim Innenministerium um Unterstützung anfragt - und zwar konkret beim Bundesamt zur Korruptionsprävention, kurz BAK. Dieses führt auch selbst Durchsuchungen durch. Sollte bei der Amtshandlung mit Gegenwehr zu rechnen oder Gewaltanwendung nötig sein, etwa, wenn Türen aufgebrochen werden müssen, fordert die Behörde zusätzlich Einsatzkräfte an. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um die Spezialeinheit Cobra.

Wie wurde im vorliegenden Fall vorgegangen?

Zur Begleitung der WKStA-Beamten bei der Durchsuchung schickte das Innenministerium nicht Beamte des BAK oder die Cobra, sondern eine Spezialeinheit für Straßenkriminalität: die EGS. Ihr Einsatzgebiet sind normalerweise Suchtgifthändler und Bandenkriminalität. Hinzu kommt, dass just diese Einheit von einem FPÖ-Funktionär geleitet wird, der mit Peter Goldgruber, dem neuen FPÖ-Generalsekretär im Innenministerium, in der Vergangenheit bereits zusammengearbeitet hat. Das BAK war an der Aktion nicht beteiligt.

Im Innenministerium wundern sich nun manche, warum so vorgegangen wurde und nicht anders, wobei dabei immer wieder auf Peter Goldgruber, den Generalsekretär des Innenministeriums, als Strippenzieher verwiesen wird. Dass es sich bei der Sache um eine parteipolitisch motivierte Aktion handeln könnte, weißt jedenfalls Goldgruber zurück.

Was genau wurde
beschlagnahmt?

Die Beamten der WKStA hätten die Festplatte von Sibylle Geißler gespiegelt - sprich, kopiert und die Kopie mitgenommen. "profil" und "Standard" berichteten zudem, dass die digitale Extremismus-Datenbank gespiegelt wurde. Geißler ist die Referatsleiterin des Bereichs Extremismus, zu dem neben Islamismus auch politischer Extremismus und damit auch Rechtsextremismus gehört.

Das Brisante dabei: Geißler wird in dem betreffenden Ermittlungsverfahren nicht als Beschuldigte, sondern als Zeugin geführt. Fakt ist auch: Nicht nur Geißlers Festplatte, sondern mehrere Festplatten von BVT-Beamten wurden gespiegelt und mitgenommen. Dass Geißlers auch dabei war, ist rein rechtlich gesehen zulässig. Dennoch wirft es Fragen auf, wieso die Festplatte einer als Zeugin geführten Beamtin mitgenommen wird, die noch dazu den hochsensiblen Bereich Extremismus leitet. Vermuten die Ermittler, dass auf Geißlers Rechner Informationen zu den Ermittlungen liegen?

Am Freitag meldete sich diesbezüglich der Generalsekretär des Justizministeriums, Christian Pilnacek, zu Wort. Er dementierte, dass die Extremismus-Datenbank beschlagnahmt worden war. Er bestätigte zwar, dass Unterlagen beschlagnahmt wurden. Allerdings habe es sich dabei um private Unterlagen gehandelt - und zwar wegen eines Naheverhältnisses der Referatsleiterin zu einem der Beschuldigten.

Es sei jedoch nicht auszuschließen, dass sich auf den gespiegelten Festplatten auch Falldaten aus dem Bereich Extremismus befinden könnte. Es seien insgesamt 19,1 Gigabyte an Daten beschlagnahmt worden, so Pilnacek. Zudem dementierte er, dass die Einsatzkräfte der EGS die Daten kopiert und mitgenommen hätten, sondern IT-Techniker der WKStA. Die Daten würden aktuell in einem speziell gesicherten Raum in der WKStA aufbewahrt, Zugriff hätten nur die ermittelnde Staatsanwältin und ein IT-Techniker.

Wie reagiert die Politik und was bedeutet die Affäre für den Verfassungsschutz?

Vom Justizministerium wurde ein Bericht über den Ablauf der Hausdurchsuchung in Auftrag gegeben, ÖVP-Justizminister Josef Moser erwartet das Ergebnis Anfang kommender Woche. Bundeskanzler Sebastian Kurz forderte "volle Aufklärung und Transparenz bei allen beteiligten Ministerien". Die Oppositionsparteien üben Kritik und fordern Aufklärung, die SPÖ hat eine Nationalrats-Sondersitzung angekündigt und will Innenminister Kickl zur Causa befragen. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen meldete sich am Freitag in der Causa zu Wort. Er findet die Vorgänge "höchst ungewöhnlich und irritierend".

Die Angelegenheit wirft jedenfalls ein bedenkliches Licht auf Österreich als verlässlichen Partner im Verhältnis zu befreundeten Geheimdiensten.

Aus dieser Perspektive erhalten die Vorgänge rund um das BVT sogar eine staatspolitische Dimension. Sind Informationen, die Partner an Österreich weiterreichen, wirklich sicher? Angesichts der FPÖ-Regierungsbeteiligung hatte sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel im Jänner besorgt gezeigt: Sie fürchtet, dass von der FPÖ sensible Daten nach Russland gelangen könnten, dessen Nähe die FPÖ sucht. Österreich müsse damit rechnen, nicht mehr im Ausmaß wie früher Informationen anderer Dienste zu erhalten, wurde Merkel damals in der "FAZ" zitiert.