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Vom Kompromiss, der keiner war...und noch nicht wirklich einer ist

Von Katharina Schmidt

Analysen

Beinahe österlich war der Glanz, der Kanzler Alfred Gusenbauer und seinen Vize Wilhelm Molterer umgab, als die beiden am Dienstagnachmittag vor die Presse traten, um ihre Einigung kundzutun. Doch bei näherem Hinsehen kann das, was da durch das Blitzlichtgewitter entstand, wohl doch eher als schöner Schein bezeichnet werden. Denn jene Arbeitsprogramme, die SPÖ und ÖVP am Abend auf ihren jeweiligen Homepages veröffentlichten, hätten - zumindest in einem Punkt - unterschiedlicher kaum sein können.


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Zwar waren sich offenbar beide Parteien darin einig, dass man die Lohnnebenkosten senken und die Pensionserhöhung auf November vorziehen werde. Bei der Gesundheitsreform hatte die Regierung aber offensichtlich mit einem Kommunikationsproblem zu kämpfen. Während bei der SPÖ die Einführung einer Vermögenszuwachssteuer nämlich bereits als ausgemachte Sache ventiliert wurde, sah die gleiche Passage bei der ÖVP schon ganz anders aus. Letztere beharrte in ihrem Papier darauf, dass besagte Steuer nur "bei Bedarf" eingeführt werden dürfe. Und diesen Bedarf sah die Volkspartei erst dann gegeben, wenn "zuvor alle Effizienzpotenziale ausgeschöpft sind". Im Klartext: Ohne tiefgreifende Strukturreform im Gesundheitssystem gibt´s auch keine neue Steuer.

Die Beweggründe beider Parteien liegen auf der Hand: Sowohl Gusenbauer als auch Molterer können das Ergebnis über die Vermögenszuwachssteuer ihren eigenen Parteikollegen als Verhandlungserfolg verkaufen. Gusenbauer, weil er mit der Steuer die vielzitierte soziale Wärme wieder aus der Versenkung geholt hat - immerhin belastet die neue Steuer aus Sicht der SPÖ jene, die es sich ohnehin leisten können, und kommt dem Gesundheitssystem, also jenen, die es sich nicht leisten können, zu Gute.

Und Molterer, weil er mit dem "Ja, aber" den skeptischen ÖVP-Wirtschaftsflügel zunächst befrieden konnte. Sollte die Steuer dann dennoch eingeführt werden, kann der Vizekanzler den Schwarzen Peter immer noch dem Gesundheitssystem zuschieben. Dort habe man eben nicht "alle Effizienzpotenziale ausgeschöpft", wäre ein mögliches Argument.

Wie schaut es mit dem diesbezüglichen Passus nun in der über Nacht gezimmerten gemeinsamen Erklärung aus? Als Ziele werden darin die "strukturelle Stärkung des Hauptverbandes" und "zusätzliche Finanzmittel aus einer Vermögenszuwachsbesteuerung", aber auch die "Ausschöpfung aller Effizienzpotenziale" genannt. Entweder, die Kassen kommen tatsächlich in den Genuss einer Reform plus zusätzlicher Mittel, oder der Kanzler ist erneut - sanft - umgefallen. Denn von der Steuer nur als Zusatzmaßnahme war im Ursprungs-Papier der SPÖ nichts zu lesen.

Vor diesem Hintergrund könnte der post-österliche Einigungsglanz fast wieder ein wenig verblassen...