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Die Rolle der europäischen Kulturhauptstadt birgt für Pecs die Chance, in einen etwas verschlafenen Ort neue Bewegung zu bringen.
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Es war der zweitbeste Job in Ungarn. Damals, im Mittelalter, erzählt die Stadtführerin, war der Bischof von Pecs ein mächtiger Mann, in seinem Gewicht nur übertroffen vom Erzbischof in Budapest. Er hatte Ländereien, Jagdgründe, Weingärten - und Untertanen, die für ihn arbeiteten. Pecs, von den Römern gegründet und schon ab dem Jahr 1009 ein Bistum, war im frühen Mittelalter eine blühende Provinzstadt.
Und heute, nach Zeiten des Glanzes, später der Kriege, der Entvölkerung und der Verschlafenheit, hat es sich wieder herausgeputzt, will die Gäste anziehen mit renovierten Bürgerhäusern, Flanierzonen im Zentrum der Stadt, Cafes und sogar einer Autobahn von Budapest aus, die so neu ist, dass sie Navigationsgeräte noch gar nicht erkennen. Doch den größten Lockvogel soll die Kultur spielen, ein Programm mit rund 700 Veranstaltungen. Denn Pecs ist heuer - ebenso wie Istanbul und Essen - europäische Kulturhauptstadt.
Einiges ist nicht rechtzeitig fertig geworden, wie das Kongresszentrum oder die neue Bibliothek mit ihren lichtdurchfluteten Räumen. Auch das Veranstaltungsquartier auf dem riesigen Fabrikgelände, das einst Teil des Zsolnay-Keramik-Imperiums war, hat seinen Betrieb noch nicht aufgenommen. Selbstverständlich gab es auch Unstimmigkeiten mit Kunstschaffenden über das Programm und Zwist mit den Direktoren des Projekts. Wie in jeder angehenden Kulturhauptstadt.
Dennoch hat es Pecs geschafft, Besuchern den Eindruck zu vermitteln, dass neue Bewegung in die Stadt gekommen ist, die nicht mit Ende des Jahres versanden wird. Vielleicht deswegen, weil es auch auf etwas aufbaut, was bereits vorher lebendig war: eine kleine Kulturszene, die nicht nur auf die Museumsstraße beschränkt ist oder Vorzeigeausstellungen mit Werken des größenwahnsinnigen Malers Tivadar Kosztka Csontvary oder des Op-Art-Künstlers Victor Vasarely. Schon in den 1960ern hat sich ein Grüppchen bildender Künstler zusammengefunden, die Projekte für den öffentlichen Raum machten, und in einem Skulpturenpark nahe der Stadt haben Studenten auch heute noch eine Werkstatt.
Von nachhaltigen Effekten für Pecs mit seinen rund 160.000 Einwohnern spricht denn auch Csaba Ruzsa gern, der für das wirtschaftliche Management der Kulturhauptstadt zuständig ist. Denn es ist nicht zuletzt auch Geld geflossen in die Gegend, wo durch den Niedergang der Bergbauindustrie tausende Menschen ihren Job verloren haben. Die sechs Millionen Euro für das Kulturprogramm sind zwar eine recht überschaubare Summe. Doch in die Infrastruktur - wie Umbau des Hauptplatzes oder Renovierungen - wurden an die 140 Millionen Euro gesteckt, erzählt Ruzsa. 85 Prozent davon werden von der Europäischen Union rückerstattet.
Auch die Touristenzahlen steigen wieder. Etwa 400.000 Gäste sind in den ersten sieben Monaten des Jahres nach Pecs gekommen. Insgesamt werden es heuer eine Million sein, hoffen die Organisatoren.
Das Programm, das sie zusammengestellt haben, umfasst neben Ausstellungen, Filmschauen und Tanzvorführungen lokaler Gruppen auch Konzerte, die mit Namen lockten wie Goran Bregovic oder Buena Vista Social Club. Es ist so gemischt, wie es das Publikum sein soll und wie es Jahrhunderte lang die Bevölkerung von Pecs war. In dem nach den Türken-Kriegen entvölkerten Gebiet siedelten die Habsburger Donauschwaben und Kroaten an. Dann gab es auch noch die Ungarn, Serben, Roma. Fast ein Dutzend Minderheiten leben in der Region. Und was nun eine der größten Kirchen in Pecs ist, war früher eine Moschee.