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Vom Musterschüler zum EU-Sorgenkind

Von Hubert Kahl

Wirtschaft

Arbeitslosenquote von 19 Prozent droht. | Kaum noch Spielraum bei Neuverschuldung. | Madrid. (dpa) Spanien hat einen rapiden Absturz vom Musterknaben zum Sorgenkind hinter sich: Vor wenigen Monaten noch hatte das Land als Vorbild gegolten. Nun werden die Spanier fast täglich mit Schreckensmeldungen konfrontiert.


Die Zahl der Arbeitslosen stieg in einem Jahr um eine Million - schon jetzt ist die Quote die höchste in der Europäischen Union. Nach einer Prognose der EU-Kommission wird Spanien zudem länger als fast alle anderen Staaten brauchen, bis es Licht am Ende des Tunnels sieht.

Immo-Boom jäh beendet

Dabei hatten sich die Iberer noch vor kurzem als aufstrebende Wirtschaftsmacht gefühlt. Über mehr als ein Jahrzehnt erzielten sie Wachstumsraten von rund drei Prozent. Die Regierung verkündete voller Stolz, dass Spanien die Italiener beim Pro-Kopf-Einkommen überholt habe. Der Staat machte keine Schulden, sondern Überschüsse.

Der Boom beruhte auf einem beispiellosen Immobilien-Rausch. Bis zu 800.000 Wohnungen wurden pro Jahr neu gebaut - mehr als in Deutschland, Frankreich und Italien zusammen.

Als im Herbst 2007 die ersten Bau- und Immobilienfirmen bankrott gingen, wollte die Regierung von einer Krise nichts wissen. Spanien werde eine "weiche Landung" erleben, prophezeite Ministerpräsident Jose Luis Rodríguez Zapatero.

Er wurde eines Besseren belehrt. Ende voriger Woche eröffnete die Regierung, dass die Wirtschaftsleistung 2009 um 1,6 Prozent zurückgehen, die Arbeitslosenquote auf 15,9 Prozent und das Budgetdefizit auf 5,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen wird.

Die Spanier hatten den Schrecken kaum überwunden, da erfuhren sie von der EU-Kommission, dass alles noch viel schlimmer kommen werde. Es droht eine Arbeitslosenquote von fast 19 Prozent und ein Anhalten der Rezession auch im Jahr 2010. Die Ratingagentur Standard & Poor´s stufte die langfristige Bonität des Landes auf die zweitbeste Stufe zurück.

"Reine Verschwendung"

Die Regierung versucht nun mit Konjunkturprogrammen gegenzusteuern. Sie stellt unter anderem den Gemeinden acht Milliarden Euro für Beschäftigungsvorhaben zur Verfügung. Mit dem Geld werden Sportplätze gebaut, Parkanlagen verschönert oder Friedhöfe hergerichtet.

Die Zeitung "El Mundo" errechnete, dass jeder geschaffene Arbeitsplatz den Steuerzahler 37.000 Euro koste. Der Ökonom Juan Iranzo meinte: "Das Programm ist reine Geldverschwendung. Damit steigt die Schuldenlast, aber die spanische Wirtschaft wird nicht einen Deut konkurrenzfähiger." Wirtschafts- und Finanzminister Pedro Solbes räumte ein, dass Madrid bei der Neuverschuldung die Grenzen erreicht und kaum noch Spielraum habe. Die Opposition forderte seinen Rücktritt.