Die "Gesundheitsreform" geht in die nächste Runde. Man will offenbar schon wieder das gleiche tote Pferd reiten. | Seit 40 Jahren.
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Es passiert wieder. Wieder wird hinter verschlossenen Türen von geschlossenen Gesellschaften verhandelt, wie man mehr öffentliches Geld kriegen und ohne Schmerzen aufteilen kann. Wieder soll paternalistisch die Bevölkerung nur mit den Segnungen der Beschlüsse bedacht werden - wie eh und je! Doch dieses Spiel ist am Ende. Glaubt denn wirklich noch jemand, dass bei fortschreitender Unfinanzierbarkeit die Player nicht demnächst aufeinander losgehen werden?
80 Krankenkassen und Krankenfürsorge-Anstalten, die Unfall- und die Pensionsversicherung, die Privatversicherungen, Gewerkschaften mit ihren Sanatorien, Reha- und Genesungsheimen, hunderte Gemeinden mit Pflegeheimen oder Krankenhäusern, zehn Ärztekammern, die noch nicht sicher wissen, ob sie sich eher für die angestellten oder für die Kassen- Ärzte einsetzen sollen - Wahlärzte sind dabei nur komplexitätstreibend. Dazu neun Länder mit total widersprüchlichen Zielvorstellungen, was mit der Spitalsversorgung passieren soll und neun für Pflege zuständige Sozialabteilungen, die oft nicht einmal in der gleichen "Parteihand" liegen. Dazu noch andere sozialpartnerschaftliche Interessenslagen, die wir beim letzten Mal beobachten konnten, als ÖGB und Wirtschaftkammer aus eigenen Reihen "abgeschossen" wurden.
Wer glaubt ernsthaft, dass bei dieser wirren Ausgangslage ein stabiler Konsens ohne breite Diskussion möglich ist. Ja früher einmal, da hat man die Risse zwischen den Interessensvertretern mit Geld und noch mehr Geld gekittet! Aber heute?
Damit sind wir schon beim nächsten Charakteristikum der österreichischen Reformdiskussion. Keiner fragt nach, was wir eigentlich mit unserem Gesundheitssystem wollen. Jeder will nur übers Geld reden.
Ist es denn wirklich so, dass es nur mehr darum geht, Geld - und zwar möglichst viel davon - umzuverteilen. Und auf dem Weg der Umverteilung möglichst vielen Günstlingen ein bequemes Leben zu verschaffen?
Ach ja, das Märchen der schlanken Verwaltung. Würde man eine ordentliche Transaktionskostenanalyse durchführen, käme man rasch darauf, dass der überwiegende Teil der Verwaltungskosten einfach irgendwo versteckt wird - zum Beispiel beim Arzt, dessen Verwaltungskosten noch nie berechnet wurden, oder beim Patienten, der halt, wenn er was braucht, eine Menge Amtswege hinter sich bringen muss. Wer Verwaltung auslagert, hat damit noch lange nicht Verwaltungskosten gespart - nur getarnt. Und wenn man sich anschaut, wie viele Player in der Gesundheitsversorgung maßgeblich mitspielen, dann kann man ahnen, wie viel Verwaltung wirklich drin steckt. Wenn so etwas in einem Markt auftritt, also irgendwie mit freier Entscheidung zu tun hätte - meinetwegen, ich würde sagen, dass das dumm ist, aber offenbar gewollt. Aber hierzulande? Alle freuen sich der staatlich verordneten Pflichtmitgliedschaft, die die Bevölkerung entweder von Geburt oder durch Berufswahl an sie bindet. Keiner muss um seine Existenz fürchten, nur um seine Macht.
Und so gehen wir instinktiv wieder am Thema vorbei. Wieder wird nicht darüber nachgedacht, was der Patient benötigt und wie er zu seiner Leistung kommt, wieder wird nicht gefragt, welche Strukturen man für die Versorgung braucht; stattdessen werden wieder die bestehenden Strukturen gerettet, wieder einmal muss die Strategie den Strukturen folgen und nicht umgekehrt. Ganz ehrlich: Es wird nicht funktionieren, das wissen fast alle.