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Vom Reiz des Real-Life-TV

Von Manfred A. Schmid

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Das Auftauchen von immer neuen "Real Life"-Sendungen zeigt, dass dafür ein wachsender Bedarf besteht. Anders lässt sich das Phänomen von Shows à la "Big Brother" oder "Expedition Robinson" nicht

erklären.

Natürlich hat das alles mit voyeuristischen und exhibitionistischen Gelüsten zu tun, mit dem Reiz der Schlüssellochperspektive sowie dem Kitzel der Selbstentblößung vor einem anonymen Publikum. Und

es ist wohl auch die Chance, einmal für ein paar Minuten oder auch länger im Rampenlicht zu stehen und ein Star zu sein. Und das ohne Aufgabe der vermeintlichen Normalität.

Anders als bei den diversen Talk-Shows ("Mein Mann betrügt mich mit dem Staubsauger") kommt es bei all diesen Sendungen gerade nicht auf das Ausgefallene und Sensationelle an, sondern es geht um den

Einblick in den ganz banalen Alltag. Und deshalb gibt es Web-sites im Internet, auf denen sich Menschen mit einer Web-cam Tag und Nacht abfilmen und per Mausklick gegen Bezahlung in ihren eigenen

vier Wänden beobachten lassen.

Worin aber begründet sich das Interesse der TV-Zuschauer an dieser Art von Real-Life-Sendungen? Ich denke, dass das nicht zuletzt mit der medialen Übersättigung zu tun hat. Je abgehobener und

irrealer die gezeigten Situationen und Helden in den durch Computertricks und Stunts aufgemotzten Actionfilmen geworden sind, umso mehr erwacht im Publikum die Sehnsucht nach dem Normalen · nach dem,

womit man sich problemlos identifizieren kann.

Das Gefühl, dass die Stars nicht größer sind als man selbst, dass man ohne weiteres ihren Platz einnehmen könnte, dürfte an der Wurzel der Beliebtheit dieser Sendungen liegen.