Die Strompreise im Großhandel sinken und in den Endverbrauchermarkt kommt wieder Wettbewerb.
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Seit Herbst 2021 kannte der Strompreis im Großhandel nur eine Richtung: nach oben. Das bekamen auch die Endverbraucher zu spüren. Saftige Tariferhöhungen quer durch die Branche sorgten für Unmut und Unverständnis unter den Stromkunden und lösten eine Diskussion darüber aus, wie Energieverträge preislich verändert werden können. Nicht jeder Preissprung wird einfach so hingenommen, wie das Beispiel Verbund zeigt. Das Handelsgericht Wien erklärte in einem - nicht rechtskräftigen - Urteil eine Preiserhöhung vom Mai 2022 für unzulässig.
Die Zeiten, als man sich durch einen Anbieterwechsel auch einiges an Geld ersparen konnte, waren jedenfalls bis vor kurzem vorbei. Jetzt könnte sich ein Wechsel wieder auszahlen, denn die Großhandelspreise für Strom, die sich im vergangenen Jahr vervielfacht haben, weisen seit Februar wieder eine sinkende Tendenz auf. Einige Anbieter, die Strom nun günstiger beschaffen können, feuern mit neuen Angeboten den Wettbewerb wieder an. Davon profitieren Konsumenten, die sich jetzt einen neuen Stromversorger suchen müssen. Sie können wieder günstigere Verträge abschließen als noch vor ein paar Monaten, als die Strompreise noch exorbitant hoch waren.
Tarife vergleichen lohnt sich
"Es lohnt sich jetzt auf jeden Fall, die Tarife zu vergleichen, etwa über den Tarifkalkulator der E-Control", sagt Sandra Matzinger, Energieexpertin der Arbeiterkammer Wien, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Zuerst sollten sich Stromkunden ansehen, welchen Vertrag sie überhaupt haben. Gibt es eine Mindestvertragdauer, also eine Bindung, dann ist ein Wechsel innerhalb dieses Zeitraums nicht möglich. Verträge, die auf unbestimmte Zeit geschlossen wurden, können innerhalb weniger Wochen gekündigt werden. Die notwendigen Schritte übernimmt üblicherweise der neue Anbieter, ohne Papierkram.
Matzinger mahnt bei flexiblen Float-Tarifen mit automatischer Preisanpassung zur Vorsicht. Bei ihnen ist der Kilowattpreis 1:1 an die Kurse an den Großhandelsmärkten gebunden. Kunden profitieren direkt von fallenden Strompreisen, bezahlen aber unmittelbar mehr, wenn der Index steigt. Konsumenten, die sich für einen Floater-Tarif entscheiden, sollten die Energiemärkte genau beobachten, damit sie jederzeit aus ihrem Vertrag aussteigen können, wenn die Energiepreise noch einmal explodieren sollten wie im vergangenen Jahr, betonte Stefan Spiegelhofer, Leiter des Bereichs Energie beim Tarifvergleichsportal durchblicker, in einer Aussendung.
Wechselwelle bei EVN-Kunden erwartet
Spiegelhofer rechnet mit einer Wechselwelle unter jenen 300.000 Kunden der EVN, deren Verträge mit "Optima Klassik"-Tarifen in den nächsten Wochen gekündigt werden. Die EVN will den betroffenen Kunden mit der einseitigen Kündigung eine horrende Indexanpassung ersparen und bietet ihnen neuen Tarif mit einem Jahr Fixpreis und Bindung an. Die Kosten würden weitgehend unverändert bleiben, heißt es. "Der neue EVN-Tarif ist, soweit bekannt, aber schon jetzt nicht der günstigste am Markt", so Spiegelhofer. Durch einen Wechsel zu den aktuell günstigsten Anbietern sei bei einem Durchschnittsverbrauch von 4.000 kWh Strom und 15.000 kWh Gas gegenüber dem angekündigten neuen EVN-Angebot eine Ersparnis von 1.180 Euro im Jahr drin.
Die Anzahl der Tarifvergleiche für Strom ist bei durchblicker heuer in den ersten zwei Monaten im Vergleich zu Jänner und Februar 2022 um 55 Prozent auf rund 520.000 gestiegen, heißt es auf Anfrage. Für rund ein Viertel der Haushalte würde sich ein Anbieterwechsel aktuell wieder auszahlen. Besonders Haushalte, die mehr als die von der staatlichen Strompreisbremse geförderten 2.900 kWh im Jahr verbrauchen oder immer noch mehr als 40 Cent je kWh bezahlen, sollten jetzt aktuelle Stromtarife vergleichen: "Günstige Angebote für Neukunden starten bereits ab 23 Cent je Kilowattstunde." Im Schnitt könne sich ein österreichischer Haushalt mit 4.000 kWh Stromverbrauch aktuell bis zu 186 Euro durch den Wechsel des Stromanbieters sparen - zusätzlich zur Strompreisbremse. Da es mit den Energiepreisen in den nächsten Wochen noch weiter nach unten gehen könnte, sollten Verbraucher, die sich durch einen Wechsel aktuell noch nicht allzu viel ersparen, noch zuwarten, rät Spiegelhofer.
Laut E-Control gibt es derzeit rund 150 verschiedene Stromanbieter mit unterschiedlichen Angeboten und Tarifen. Einige Angebote sind österreichweit verfügbar, andere wiederum nur regional. Um einen Vergleich aller in Frage kommenden Preise zu erhalten, müssen nur die Postleitzahl sowie der Jahresverbrauch in Kilowattstunden (kWh) in den Online-Tarifkalkulator eingegeben werden. Die Ersparnis durch die Strompreisbremse wird in den Berechnungsergebnisen der E-Control nicht berücksichtigt, jedoch wird ein Berechnungstool zur Verfügung gestellt.
Mageres Angebot im Vorjahr
2022 haben laut E-Control insgesamt 218.707 (nach 331.284) Haushalte und Unternehmen ihren Energielieferanten (Strom und Gas) gewechselt. Die Wechselrate bei Strom sank von 4,1 Prozent auf 2,7 Prozent. 167.735 Kunden, darunter 123.184 Haushalte, wechselten den Stromanbieter. Im Vorjahr habe es deutlich weniger und kaum interessante Angebote gegeben, viele Lieferanten hätten sich auf ihr angestammtes Versorgungsgebiet zurückgezogen, so die Behörde.
Strommarkt
Bis 19. Februar 1999 galt in Österreich das zweite Verstaatlichungsgesetz aus 1947, das der E-Wirtschaft eine Versorgungspflicht verordnete und Monopole auf fest umrissene Gebiete schuf. Die Stromtarife wurden amtlich bestimmt: Landesversorger und kommunale Energielieferanten mussten Preiserhöhungen beantragen. Von den Verbrauchern wurden die verlangten Tariferhöhungen oft als ungerechtfertigt angesehen, vor allem angesichts hoher Gewinne und Dividendenausschüttungen. Auf Basis einer EU-Binnenmarktrichtlinie, die den Mitgliedsstaaten die schrittweise Öffnung ihrer Strom- und Gasmärkte vorgab, wurde 1999 das Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz (ElWOG) beschlossen. Durch eine teilweise Marktöffnung konnten zunächst rund 150 österreichische Stromgroßverbraucher ihre Lieferanten frei wählen. Vollständig liberalisiert wurde der Strommarkt am 1. Oktober 2001. Seit damals können auch Privathaushalte ihren Stromlieferanten frei wählen. Damit zählte Österreich zu den Vorreitern innerhalb der EU. Ein Jahr später wurde auch der Gasmarkt liberalisiert. In der Folge wurden ausländische Anbieter in Österreich aktiv, und immer mehr langansässige, heimische Lieferanten betätigten sich auch außerhalb ihres angestammten Netzgebietes. Die Regulierungsbehörde E-Control nahm am 1. März 2001 ihre Arbeit auf.