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Vom Sammelbecken zum Umfragehoch

Von Werner Reisinger

Politik

Die FPÖ feiert ihr 60-jähriges Bestehen.


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Wien. Es war eine durchaus bunte Mischung von Personen aus unterschiedlichen politischen Milieus, die am 7. April 1956 im Hotel "Zum weißen Hahn" im 8. Wiener Gemeindebezirk zum Gründungsparteitag der FPÖ zusammentraf. Unter ihnen waren Großbürgerliche und Liberale ebenso zu finden wie jene, die sich zu keiner der damals zugelassenen Parteien bekennen wollten. Die meisten von ihnen freilich waren ehemalige Nationalsozialisten, die sich schon 1949 im "Verband der Unabhängigen" (VdU) zusammengefunden hatten. Rund eine halbe Million Österreicher galten wegen ihrer Mitgliedschaft in der NSDAP oder einer ihrer Teilorganisationen als belastet bzw. als minderbelastet. Sie waren ab 1945 vom Wahlrecht ausgeschlossen. Sehr lange jedoch währten die Bemühungen um Entnazifizierung nicht. Schon 1948 wurden mittels Amnestiegesetz die Sühnemaßnahmen an den ehemaligen Nazis aufgehoben und die Entnazifizierung damit faktisch beendet, Hunderttausende erhielten ihr Stimmrecht zurück.

Heimat der "Ehemaligen"

Schon ein Jahr zuvor waren vermehrt Stimmen laut geworden, die nach einer Reintegration der "Ehemaligen" verlangten. Zu groß war die Gruppe der Minderbelasteten, um sie auf Dauer von der Mitbestimmung in der Zweiten Republik auszuschließen. Zu verlockend war die Gruppe auch für die beiden Großparteien SPÖ und ÖVP, die in der Folge intensiv um die Stimmen der ehemaligen Nazis warben - durchaus mit Erfolg. Doch Integrationsbemühungen von Rot und Schwarz konnten die Gründung einer vierten Partei nicht verhindern. Anders als der VdU, der als "Wahlpartei der Unabhängigen" bei den Nationalratswahlen 1949 aus dem Stand mehr als 11 Prozent der Stimmen gewinnen konnte, blieben die Erfolge der neuen von Anton Reinthaller geführten Partei bescheiden.

Reinthaller, ein ehemaliger schwerbelasteter Nazi und hochrangiges SS-Mitglied, machte kein Hehl daraus, wer in der als Sammelbecken konstruierten FPÖ, der sich anfangs auch tausende Kriegsheimkehrer angeschlossen hatten, den Ton angeben würde: "Der nationale Gedanke bedeutet in seinem Wesen nichts anderes als das Bekenntnis der Zugehörigkeit zum deutschen Volk", tönte er am Gründungsparteitag 1956.

Auch unter Friedrich Peter, ebenfalls ranghohes SS-Mitglied und politischer Ziehsohn Reinthallers, kam die Partei jahrelang bei Wahlen kaum über 6 Prozent hinaus. Der ehemalige SS-Obersturmführer Peter (im Krieg Mitglied einer der berüchtigten Einsatzgruppen) verpasste der Partei nach außen hin ein liberaleres Image und blendete gezielt rechtsextreme und nationale Elemente aus, die der Partei auf ihrem angestrebten Weg der Verbreiterung hinderlich sein würden. Liberale und Nationale hätten in der FPÖ gleichermaßen ihren Platz, verkündete Peter und diente sich in den späten sechziger Jahren sukzessive vor allem der SPÖ als Partner an.

Liberale gegen Nationale

Deren Parteichef Bruno Kreisky ließ 1970 seine Minderheitsregierung von Peters FPÖ stützen, obwohl dieser im Wahlkampf noch vollmundig verkündet hatte, keinen roten Kanzler zulassen zu wollen. Kreisky bedankte sich mit einer FPÖ-freundlichen Wahlrechtsreform, die es der Kleinpartei ermöglichte, auch weiterhin im Nationalrat vertreten zu sein. Die Spannungen zwischen dem durch Peters Bemühen gestärkten liberalen Parteiflügel und dem vor allem von den deutschnationalen Burschenschaften getragenen nationalen Kern der Partei mündeten schließlich in einem offenen Konflikt.

Am Parteitag 1980 schwang sich nach einer Kampfabstimmung Norbert Steger zum Parteichef auf, drei Jahre später führte er die Partei als Juniorpartner der SPÖ erstmals in eine Regierungsverantwortung. In der Partei aber gärte es, die Zeichen standen auf Sturm. Den dezidiert liberalen Kurs wollten die deutschnationalen Eliten nicht länger mittragen. Das Bild des jungen Jörg Haider, der am Innsbrucker Parteitag 1986 unter Jubelrufen auf den Schultern von Reinhard Gaugg als neuer Parteichef gefeiert wurde, hat inzwischen ikonische Qualität erreicht. Es steht so sehr als Sinnbild für den charismatischen Führer, der der Partei Wahlerfolge in ungeahnter Höhe bescheren würde, dass Jahre später auch Heinz-Christian Strache auf die Pose zurückgriff, um "seinen" Neuanfang mit Haider’scher Hybris zu schmücken.

Gemäßigte Ansichten waren nach Haiders Machtübernahme fürs Erste vom Tisch, die verbliebenen Liberalen schlossen sich später unter Heide Schmidt zum Liberalen Forum zusammen - und fanden recht rasch ihr politisches Ende. Haiders Auftritt auf der politischen Bühne kann kaum überbewertet werden, im nationalen wie im internationalen Kontext. In den USA hatte er sich abgeschaut, wie man einen modernen Wahlkampf führt. Wenn Strache auf seinen Wahlpartys zu pompöser Musik durch ein Meer aus rot-weiß-roten Fahnen auf die Bühne steigt, ist Haiders Handschrift unverkennbar. Der charismatische Taktiker Haider nutzte die zusehends negative Stimmung gegenüber der großen Koalition bestmöglich aus, den Nationalen und Rechtsextremen in seiner Partei galt er dennoch als einer der Ihren. Sie bediente er regelmäßig mit kaum verhohlenen Botschaften.

Strache am Höhepunkt?

Kaum hatte Haider es in die Regierung geschafft, brachen die inhärenten Konflikte in der FPÖ erneut offen aus. Am Knittelfelder Parteitag protestierte der rechte Kern der Partei abermals gegen die als Verwässerung der alten Ideale empfundene neue Linie. Und als sich Haider 2005 schließlich mit seinen Getreuen und dem Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) selbständig machte, tönte der neue Parteichef und einstige Haider-Bewunderer Strache: "Die alte FPÖ ist gegangen, die echte FPÖ ist zurückgeblieben!"

Im Lichte einer heutigen Bewertung der Ära Schwarz-Blau, unter dem Einruck des Milliardengrabs Hypo und Korruptionsaffären, mutet der Name von Haiders inzwischen in der Versenkung verschwundenen Partei wie ein zynisches Versprechen an. Strache schaffte es dennoch, die Partei wieder in ungeahnte (Umfrage-)Höhen zu bringen. Straches FPÖ dominiert nicht nur den innenpolitischen Diskurs, sondern auch den Bundespräsidentschaftswahlkampf. Das Stimmverhalten seiner Wähler könnte entscheidend sein; die Frage, wer die FPÖ in einer Regierung angeloben würde, ist zum Angelpunkt geworden. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Partei, der es immer wieder gelang, sich neu zu (er)finden.