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Der Internationale Währungsfonds (IWF) hält den ökonomischen Niedergang Rußlands für die größte Bedrohung der Weltwirtschaft. Die Weltbank sieht die russische Wirtschaft im Chaos versinken. Die | beiden Finanzinstitutionen überbieten sich derzeit in düsteren Beschreibungen der Ergebnisse zehnjähriger Bemühungen um marktwirtschaftliche Reformen in Rußland und anderen Ländern des ehemaligen | Ostblocks.
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Daß sie damit auch der westlichen Entwicklungspolitik der letzten Jahre ein Armutszeugnis ausstellen, wird in solchen Erklärungen nicht gerade herausgearbeitet. Diese Aufklärung versucht eine zur
Frühjahrstagung von IWF und Weltbank in Washington erschienene Untersuchung des renommierten Cato-Instituts zu liefern. Der Bericht kommt zu einem vernichtenden Urteil über die Wirkung amerikanischer
Hilfsprogramme für markwirtschaftliche Reformen in Polen, Rußland und der Ukraine.
Der Hauptweg dieser Programme habe in der Entsendung nicht sonderlich qualifizierter Berater bestanden, stellt die Autorin Janine Wedel fest. "Ein Problem war, daß die meisten dieser Berater nur für
eine kurze Zeit kamen, nur schwache Bindungen zu den Empfängern knüpften und wenig über die Länder wußten, denen sie helfen sollten." In Polen seien sie schnell als die "Marriott-Brigade" bezeichnet
worden, weil sie sich meist in westlichen Luxushotels aufhielten.
"Es erinnerte an einen Chirurgen, der seine Arbeit macht, ohne mit dem Patienten zu sprechen und wieder verschwindet, ohne geprüft zu haben, ob die Operation erfolgreich war", zitiert Wedel einen
Mitarbeiter des polnischen Industrieministeriums.
Sie kritisiert, daß die Berater es oft vermieden, mit den nach der Wende geschaffenen Behörden für Privatisierung zusammenzuarbeiten. Die mit staatlichen US-Mitteln ausgestatteten Mitarbeiter
privater Beraterfirmen hätten die direkte Zusammenarbeit mit Unternehmen bevorzugt. "Privatisierung wurde als ad-hoc-Projekt verstanden", es habe wenig Austausch mit den Verantwortlichen der
betroffenen Länder gegeben, und es sei unter dem Strich wenig erreicht worden.
Vielen seien die westlichen Experten als Neuausgabe der kommunistischen Planer erschienen, nun lediglich mit kapitalistischer Ausrichtung. Sie hätten sich mit Gruppen wie jenen um den Vertrauten von
Präsident Boris Jelzin, Anatoli Tschubais, verbündet, ohne zu prüfen, ob diese Leute mehr einer wirklichen Reformpolitik oder mehr dem eigenen Vorteil verpflichtet waren. Dabei hätten oft nur
äußerliche Aspekte wie ein betont "westliches" Auftreten eine Rolle gespielt.
"Diese Form der Hilfe hat einige gemütliche Jobs für westliche Berater geschaffen, aber im Sinne von Entwicklung wenig dazu beigetragen, was wirklicher Austausch von Erfahrungen hätte bewirken
können", schließt die Autorin, die Professorin am Institut für europäische, russische und eurasische Studien an der George Washington Universität ist. Sie habe im Gegenteil wegen zahlreicher
enttäuschter Hoffnungen zur Entwicklung neuer anti-westlicher und anti-marktwirtschaftlicher Kräfte beigetragen und so das Gegenteil ihres Ziels erreicht. Joseph Stiglitz, Chefökonom der Weltbank,
stellte in seiner Einschätzung westlicher Hilfe für Rußland schlicht fest: "Wir haben gelernt, daß Marktwirtschaften viel komplizierter sind, als Lehrbücher sie beschreiben können."