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Vom schiitischen Halbmond ist nicht viel übrig

Von WZ-Korrespondent Arian Faal

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Der Einfluss Teherans von Ägypten über die Hamas bis zum Irak geht zurück.


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Wien/Teheran. Durchhalteparolen, Hasstiraden gegen den Westen, insbesondere gegen Israel und die USA, und eine uneinsichtige "no fear"-Politik standen in den letzten acht Jahren für den Führungsstil des scheidenden, umstrittenen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad. Er tritt im Juni nach zwei Amtszeiten gezwungenermaßen ab. Was bleibt, ist ein innen- und außenpolitischer Scherbenhaufen. Letzterer, verursacht durch die wirtschaftliche Isolierung vom Westen - Stichwort Öl- und Gasembargo der EU als Stich ins Herz der Wirtschaft - und durch den Machtkampf zwischen Sunniten und Schiiten in der Region, macht der Führung rund um den Obersten Geistlichen Führer des Iran, Ayatollah Seyed Ali Khamenei, schwer zu schaffen.

Noch vor zwei Jahren befleißigte sich der Iran, seine schiitischen Fühler in die ganze Region auszustrecken: Nach Bahrain, um - natürlich unter der Hand - die Opposition zu unterstützen, über die von Teheran finanzierten "Bruderorganisationen" Hamas und Hisbollah in den Libanon und in den Gazastreifen, über die schiitische Führung des Irak, die Teheran nahe steht und natürlich über Syrien, dem engsten Verbündeten. Hinzu kam die iranische Freude über den Sturz des ägyptischen Langzeitdiktators Hosni Mubarak, der eine schrittweise Wiederherstellung von Normalität zwischen Kairo und Teheran herstellen sollte.

Vom "schiitischen Halbmond" ist im April 2013 allerdings nicht mehr so viel übrig: Mit der jüngsten Wiederwahl von Khaled Mashaal hat die Hamas ein deutliches weiteres Zeichen weg vom Iran gesetzt. Die Hamas hat damit im Sinne der Sunniten gehandelt. Mashaal wurde vor allem von Ägypten und Katar zur Wiederwahl gedrängt, um den schiitischen Einfluss innerhalb der Organisation zu drosseln. Mashaal hat mit einer sanften Umorientierung der Hamas begonnen: Hierbei geht es mehr um Gesten, die das Umfeld und die Ausrichtung der Organisation betreffen. Ein Blick nach Kairo und Damaskus genügt, um die geänderten Vorzeichen zu erahnen: In Ägypten agieren die Muslimbrüder als Mutterpartei der Hamas nicht gerade schiitenfreundlich und in Syrien bekämpfen Muslimbrüder den einstigen Hamas-Schutzherrn Bashar al-Assad.

Mit der Verlegung des Hauptquartiers weg von Damaskus wurde der Schnitt zu Teheran besiegelt. Gewiss ist er nur symbolisch, da die komplizierten Verflechtungen rund um die Finanzierung der Hamas - vor allem im Gazastreifen - noch immer eng mit dem Iran verbunden sind, doch drängen die Araber, die Hamas vom Iran mehr und mehr zu trennen.

Abseits der Hamas hat auch der iranische Versuch, sich an Kairo anzunähern, vorerst keine Früchte getragen. Die nach 34 Jahren wiederaufgenommenen Flüge zwischen Kairo und Teheran wurden wenige Tage später nach Protesten radikaler Sunniten bis Juni wieder suspendiert. Auf Wänden in Kairo sind Sprüche wie "Ägypten braucht Eure dreckigen schiitischen Hände aus dem Iran hier nicht" zu finden. Auch in Syrien, dem engsten Partner des Iran, bröckelt die Machtbasis des Langzeitmachthabers al-Assad. Die Nachbarn, allen voran Saudi-Arabien, Ägypten und die Türkei, unterstützen die Rebellen und so steht der Iran wieder allein da, hält Assad aber weiterhin die Stange.In Bahrain werden die oppositionellen Schiiten letztlich mit saudischer Hilfe niedergeschlagen.

Was den Persern bleibt, ist der Irak: Doch auch hier prägen rund um die am Samstag stattgefundenen Kommunalwahlen die Anschläge auf das Schiitenviertel in Bagdad den politischen Alltag. Das, obwohl Teheran in den letzten Jahren keine Chance ausgelassen hat, seine Fühler immer weiter nach Bagdad auszustrecken. Da wundert es nicht, wenn Freitagsgebete in Bagdad auf Persisch gehalten werden oder der radikale irakische Schiiten-Prediger Muktada al-Sadr sich regelmäßig mit dem Iran austauscht.Vieles im Irak passiert auf Zuruf aus dem Iran, und das wissen auch die Amerikaner. Nicht umsonst hat US-Präsident Barack Obama nun abermals verkündet, er wolle die US-Militärpräsenz am Persischen Golf verstärken.

Teheran kommt hierbei zugute, dass Schiiten und Kurden im neuen Irak wichtige Rollen übernommen haben. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass das Saddam-Regime nicht von den irakischen Schiiten und auch nicht vom Iran beseitigt wurde, sondern vom "großen Satan" USA. Der US-Einmarsch im Irak 2003 löste deswegen gemischte Gefühle im Iran aus: Natürlich war man zufrieden, dass Saddam Hussein gestürzt wurde und die Schiiten im Irak endlich Zugang zur Macht bekamen, gleichzeitig aber mochte man den USA dafür nicht applaudieren. Zumal man von US-Truppen umringt wurde: Diese waren in Afghanistan, Pakistan, Zentralasien und schließlich auch im Irak stationiert.

Die Perser sahen in den Entwicklungen im Nachbarland ein großes Potenzial für die eigene Zukunft: Wirtschaftliche, politische und sogar kulturelle Beziehungen wurden in der Zeit nach dem Sturz Saddams schrittweise intensiviert. Heute ist der Irak ein lukrativer Markt für iranische Produkte, langfristig auch ein attraktiver Markt für iranische Investitionen. Mit der Renaissance des schiitischen Halbmondes durch die neue schiitische Führung im Irak konnte Teheran im Laufe der Zeit genau genommen mehr Einfluss gewinnen als die USA. Doch die Anschläge zeigen, dass der Einfluss nicht gefestigt ist und die Sunniten in der Region versuchen, den iranischen Arm in Bagdad nicht zu lang werden zu lassen.