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Der wandlungsfähige Oligarch Petro Poroschenko geht als Favorit in den Wahlkampf für die ukrainischen Präsidentenwahlen.
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Kiew. Petro Poroschenko war schon überall. Der 48-jährige Oligarch, der in der Ukraine aufgrund der Omnipräsenz seines Backwarenimperiums "Roschen" als "Schokoladenkönig" bekannt ist, ist bereits seit gut 15 Jahren in der Politik des Landes tätig.
Dabei agierte der Mann aus Bolhrad, einer Stadt im äußersten Südwesten der Ukraine an der Grenze zu Moldawien, erstaunlich wandlungsfähig: Poroschenko, der in den 1990er Jahren als Sozialdemokrat in die Politik eingestiegen war, war unter Ex-Präsident Leonid Kutschma einer der Gründer der präsidentennahen "Partei der Regionen" und fungierte von März bis November 2001 als stellvertretender Vorsitzender jener politischen Kraft, die vor allem im russischsprachigen Osten und Süden der Ukraine ihre Anhänger hat. Aber schon 2002 mischte er als Akteur im prowestlichen Lager mit, im Herbst 2004 galt Poroschenko als einer der Hauptfinanciers der Orangen Revolution. Zum prowestlichen Ex-Präsidenten Wiktor Juschtschenko hielt Poroschenko engen Kontakt, Juschtschenko wurde sogar Taufpate seiner Tochter. Weniger gut war das Verhältnis zu Juschtschenkos Rivalin Julia Timoschenko, mit der er einige politische Sträuße ausfocht.
Wirklich ins Trudeln kam die Karriere des siebentreichsten Mannes der Ukraine, dem mit dem "Fünften Kanal" auch ein einflussreicher TV-Sender gehört, jedoch nie: Von einem kleinen Rückschlag - 2005 musste Poroschenko wegen Korruptionsvorwürfen als Chef des nationalen Sicherheitsrates zurücktreten - erholte er sich rasch. Der Mann aus dem Gebiet Odessa wechselte in die Notenbank, wurde 2009, noch unter seinem Partner Juschtschenko, Außenminister. Poroschenkos politische Karriere brach aber auch nach 2010 unter Staatschef Wiktor Janukowitsch nicht ab: Von März bis Dezember 2012 gehörte er als Wirtschaftsminister dem Kabinett des nunmehr gestürzten Ministerpräsidenten Mykola Asarow an.
Schwächelnde Rechtsextreme
Es ist für manche politische Beobachter eine Überraschung: Nicht etwa Dmytro Jarosch, der Chef des rechtsextremen "Prawyj Sektors", jener Kampftruppe auf dem Maidan, die wesentlich am Sturz des Regimes Janokowitsch beteiligt war, nicht Oleh Tjahnybok, der nationalistische Chef der Partei "Swoboda" befinden sich derzeit in der Ukraine im politischen Höhenflug, sondern Poroschenko, der Oligarch und Politprofi mit guten Kontakten zur Elite.
Während Jaroschs Werte bei einem Prozent grundeln und auch Tjahnybok nur bei unter drei Prozent liegt, hat der Schokokönig gute Chancen, am 25. Mai zum nächsten Präsidenten der Ukraine gewählt zu werden. Während Ex-Premierministerin Timoschenko bei zehn und Boxchampion Witali Klitschko bei rund 15 Prozent liegen, kommt der Unternehmer, dem auch noch Maschinenbaubetriebe und eine Werft gehören, in aktuellen Umfragen auf um die 22 Prozent. Käme Poroschenko, der die Bewegung des "Euromaidan" offensiv unterstützt hat, in eine Stichwahl gegen Klitschko, würde er sie derzeit mit großem Abstand für sich entscheiden.
Das könnte daran liegen, dass der Südukrainer als integer, seriös und kompetent wahrgenommen wird. "Viele Ukrainer haben die bewaffneten Aktivisten des "Prawyj Sektors" zwar für ihren Mut auf dem Maidan geschätzt", sagt der Politologe Gerhard Mangott zur "Wiener Zeitung". "An der Regierung will man diese Leute aber nicht sehen. Es gibt einen Trend zur moderaten Mitte." Und Mykhaylo Banakh von der International Renaissance Foundation in Kiew berichtet, dass die Unterstützung für die Swoboda trotz der nationalistisch aufgeheizten Stimmung im Konflikt mit Russland auch in ihren Hochburgen in der Westukraine im Schwinden begriffen ist. "Die Menschen sehen, dass dort, wo die Swoboda regiert, sich nichts zum Besseren wandelt", sagt der selbst aus der Westukraine stammende Banakh der "Wiener Zeitung".
Wie stimmt der Osten ab?
Die offene Frage bei den Wahlen ist: Wie stimmen der russischsprachige Süden und Osten ab? Das Lager von Ex-Präsident Wiktor Janukowitsch ist derzeit kopflos, verfügt über keinen politischen Anführer. "Offensichtlich will sich niemand die unvermeidliche Niederlage abholen", meint Mangott. "Auch der Süden und Osten weint Janukowitsch keine Träne nach", sagt der Politologe. Mögliche Kandidaten wie Ex-Vizepremier Serhij Tihipko verfügen nicht über die nötige Strahlkraft. Einer, der angeblich einen gemeinsamen Kandidaten der russischsprachigen Landesteile finanzieren hätte wollen, sitzt in Wien in Haft: Dmytro Firtasch. "Seine Verhaftung könnte in Zusammenhang stehen mit Versuchen, auf diesen Prozess Einfluss zu nehmen", vermutet der Innsbrucker Politologe. Der Gas-Oligarch Firtasch soll übrigens nach Ansicht von Insidern wichtige Informationen über die russische Gazprom besitzen. Er könnte damit zu einer Art Kronzeuge im Vorgehen der US- und EU-Behörden gegen Russland werden.