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Vom Sehnsuchtsort zum Minenfeld

Von Ronald Schönhuber

Politik

Nach dem Atomdeal wurde der Iran zum Hoffnungsmarkt. Mit den neuen US-Sanktionen dürften die Träume geplatzt sein.


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Teheran/Wien. Als am 14. Juli 2015 in Wien das internationale Atomabkommen geschlossen wurde, war der Iran quasi über Nacht zum Sehnsuchtsort geworden. In den folgenden Monaten reisten dutzende hochrangig besetzte Wirtschaftsdelegationen in die Hauptstadt Teheran, um dort die Marktchancen zu sondieren oder die alten Kontakte, die zu Zeiten des Sanktionsregimes kaum noch gepflegt werden konnten, zu reaktivieren. Egal ob Flugzeugbauer wie Airbus, Ölkonzerne wie Total oder Geldinstitute wie die österreichische Oberbank - im großen Wettlauf um die beste Startposition im Iran wollte keiner der Letzte sein.

Getragen wurde diese Goldgräberstimmung aber nicht nur von den gewaltigen Öl- und Gasvorkommen, über die der Iran verfügt. Gute Geschäftschance witterten die westlichen Firmen damals vor allem auch im Infrastrukturbereich. Denn nachdem der jahrelange Boykott den Iran ökonomisch in die Knie gezwungen hatte, galt fast alles im Land als modernisierungs- und aufbaubedürftig. Und nicht zuletzt lockte nach dem Abschluss des Atom-Deals und dem damit verbundenen Sanktionsende ein gewaltiger Absatzmarkt mit überdurchschnittlichen vielen jungen Menschen, die häufig auch noch gut ausgebildet waren.

Von den hochfliegenden Erwartungen wurden allerdings viele nicht erfüllt. Weder besserte sich die wirtschaftliche Lage der iranischen Bevölkerung nach dem Abschluss des Atomdeals spürbar, noch gab es die ganz große Zunahme des Handelsvolumens, die sich vor allem viele europäische Unternehmen erhofft hatten. So stiegen etwa die Exporte Deutschlands, das zu den wichtigsten Handelspartner des Irans zählte, von 2016 auf 2017 um knapp 15 Prozent auf drei Milliarden Euro. Noch Mitte des vergangenen Jahrzehnts hatte die deutsche Wirtschaft Waren im Wert von fünf Milliarden Euro in den Iran geliefert. Auch die österreichischen Exporte legten nur relativ verhalten zu, 2017 gab es lediglich eine Steigerung von 9 Prozent auf 301 Millionen Euro. "Nach der Lockerung der Sanktionen hat sich eine nicht so schnelle Entwicklung ergeben, wie diese manche prognostiziert oder erhofft hatten", sagt Rudolf Thaler, der bei der Wirtschaftskammer für den Nahen Osten zuständig ist.

US-Markt in Gefahr

Mit dem von US-Präsident Donald Trump Mitte der Woche vollzogenen Ausstieg der Amerikaner aus dem Atomabkommen und der Wiedereinsetzung von strengen Sanktionen scheint aber nun selbst das kleine bestehende Geschäft gefährdet. Denn die US-Regierung verlangt, dass auch ausländische Unternehmen die neuen Strafmaßnahmen mittragen. Deutsche Firmen sollten ihre Geschäfte mit dem Iran "sofort herunterfahren", schrieb Richard Grenell, der neue US-Botschafter in Berlin, bereits unmittelbar, nachdem Trump seine Ausstiegsentscheidung bekanntgegeben hatte, auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Sollten ausländische Unternehmen den Vorgaben Washingtons, alle bestehenden Iran-Geschäfte binnen 180 Tagen abzuwickeln, nicht nachkommen, drohen sie selbst Ziel amerikanischer Sanktionen zu werden. Sie werden dann vom US-Finanzministerium auf eine Liste von Firmen gesetzt, mit denen amerikanische Unternehmen, Banken und Personen keine Geschäfte machen dürfen. Die betroffenen Unternehmen wären damit von so gut wie allen Dollar-Geschäften abgeschnitten und würden auch stark Gefahr laufen, ihren Zugang zum US-Markt zu verlieren - für viele bisher im Iran tätige Firmen wie Daimler, Airbus oder Siemens ein Wort-Case-Szenario, das wohl kaum viele Alternativen offen lässt.

Dass diese sogenannten Sekundärsanktionen, die die USA als einziges Land weltweit verhängen, eine mächtige Waffe sind, hat sich schon in der Vergangenheit gezeigt. Schon bisher hatten europäische Großbanken mit Amerika-Geschäft Kredite für Iran-Geschäfte verweigert, um nur ja nicht ins Visier der US-Regierung zu geraten. Aber auch viele andere Unternehmen aus der EU hatten sich in den vergangenen Jahren vorsichtig verhalten und sich im Iran trotz der ursprünglich großen Hoffnungen nur wenig exponiert.

"Können keinen Schutz bieten"

Ein Rezept gegen die US-Sanktionen scheint es auch diesmal nicht zu geben. Und auch von der Politik dürfen sich die europäischen Unternehmen wohl nicht allzu viel Hilfe erwarten. So hat die deutsche Regierung zwar einen Krisenstab gebildet, um die Firmen im Umgang mit den neuen Sanktionen zu unterstützen, doch gleichzeitig dämpft Wirtschaftsminister Peter Altmaier auch die Erwartungen. "Wir haben juristisch keine Möglichkeit, deutsche Unternehmen gegen Entscheidungen der amerikanischen Regierung zu schützen oder sie davon auszunehmen", sagte Altmaier. Denn Eingriffe wie etwa einen staatlichen Fonds zum Ausgleich möglicher Nachteile für Firmen, die im Iran tätig sind, sehe das deutsche Recht derzeit nicht vor.

Kämpferisch gibt sich derzeit nur Frankreich, das in den vergangenen drei Jahren wohl am stärksten vom wieder auflebenden Handel mit dem Iran profitierte und mit Total, PSA Peugeot Citroen und Renault über drei Firmen verfügt, die sehr viel Geld in ihr Iran-Geschäft gesteckt haben. Paris werde mit seinen europäischen Partnern der EU-Kommission Vorschläge zur Abwehr möglicher US-Strafen vorlegen, sagte Finanzminister Bruno Le Maire am Freitag vor Journalisten. Man könne nicht weiter in die gleiche Richtung gehen und sich US-Entscheidungen unterwerfen.