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Vom Shooting-Star zum umstrittenen Reibebaum

Von Walter Hämmerle

Politik

Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky im Porträt. | Privatleben in der Öffentlichkeit, sachpolitische Probleme. | Wien. Andrea Kdolsky hat es geschafft: Die Gesundheitsreform, zumindest ein erster Teil, ist nach monatelangem Hinauszögern endlich in Begutachtung. Ob die Gesundheitsministerin dies allerdings auf ihrem politischen Haben-Konto verbuchen wird können, bleibt abzuwarten. Zu sehr ist ihre Politik und ihr Politikstil in die Kritik geraten.


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Schon von Beginn schieden sich an Kdolsky die Geister: Die neue Gesundheitsministerin irritierte die schwarzen Kernschichten mit unkonventionellen Aussagen und Auftritten - unvergessen die tänzerische Showeinlage als Csardasfürstin. Gleichzeitig wirkten ihr öffentlich präsentierter Lebensstil (Lieblingsspeise Schweinsbraten, Ex-Genussraucherin, auch eine Ministerin hat Sex) für viele von Politik enttäuschte Bürger erfrischend neu.

Für die Medien war die ehemalige Fachärztin, Hochschul-Gewerkschafterin und Spitalsmanagerin ein gefundenes Fressen. Kdolsky sorgte für Stoff abseits der ausgetretenen innenpolitischen Pfade. Die 45-jährige Wienerin wurde über Nacht zum Shootingstar der schwarzen Regierungsmannschaft. Am Höhepunkt ihrer Beliebtheit rangierte sie mit plus 16 Prozent beim APA/OGM-Vertrauensindex von Politikern. Damit lag sie an fünftbester Stelle der Regierung. Das war im März 2007, die Ministerin war noch keine drei Monate im Amt.

Steil bergab in Umfragen

Seitdem jedoch ging es steil bergab. Seit September 2007 liegt Kdolsky in Sachen Vertrauen im Minus-Bereich - mit weiter fallender Tendenz. Zuletzt rangierten nur noch die bereits gewohnheitsmäßig am Ende platzierten Norbert Darabos, Heinz-Christian Strache und Peter Westenthaler hinter der einst umjubelten Quereinsteigerin aus Niederösterreich.

Beobachter erklären ihren Absturz mit einer Mischung aus politischen und persönlichen Gründen. Zu letzteren zählt sicherlich die Art und Weise, wie die Gesundheits- und Familienministerin ihr Privatleben öffentlich machte und so auch Teil eines per Interview ausgetragenen Rosenkriegs rund um ihren Lebensgefährten wurde.

In der sich selbst als Familienpartei bezeichnenden ÖVP missfiel dies vielen. Rücktrittsgerüchte machten immer wieder die Runde, auch wenn diese von der Parteiführung stets dementiert wurden.

Zusätzliche Nahrung erhielten diese durch den Umstand, dass die Ministerin auch sachpolitisch Angriffsflächen bot. Der Kompromiss beim Nichtraucher-Schutz macht weder Gastronomie noch Gesundheitspolitiker wirklich glücklich. Dass beide Lobbies gleichermaßen unzufrieden sind, kann man zwar auch als Gütesiegel für die gefundene Lösung interpretieren. Stellt sich nur die Frage, ob eine Gesundheitsministerin nicht per definitionem Vorkämpferin für einen möglichst umfassenden Nichtraucher-Schutz sein muss.

Als Familienministerin gelang es Kdolsky nicht, bei der 15a-Vereinbarung zur Finanzierung zusätzlicher Kinderbetreuungsplätze die ÖVP-Länder auf eine Linie zu verpflichten. Diese verweigerten zunächst ihre Zustimmung zu dem von Kdolsky mitausgehandelten Kompromiss, erst Nachverhandlungen scheinen nun eine Lösung zu bringen.

Durchsetzungsschwach

Die größte Baustelle ihres Ressorts sind jedoch die Gesundheitsagenden - und auch wenn Kdolsky dank der Kompetenzaufsplitterung wenig zu sagen hat: Erfolg oder Scheitern der Reform in diesem Kernbereich der Politik werden auf ihr Konto gehen. Dass sie dabei die Zügel in der Hand hat, behauptet jedoch fast keiner. Die Sozialpartner haben den Reformentwurf ausgehandelt. Kdolskys Gesprächsklima mit den meisten Akteuren ist gestört, so es überhaupt existiert.

Noch schlimmer wiegt der Eindruck, dass die Gesundheitsministerin auch in ihrer eigenen Partei isoliert scheint - wie sonst wäre es zu erklären, dass sich die Sozialpartner in wesentlichen Punkten gegen den erklärten Willen der Gesundheitsministerin durchsetzen konnten. Und nicht zu vergessen: Die ÖVP-regierten Länder haben von Anfang an klar gemacht, dass sie keinerlei Notwendigkeit für eine Gesundheitsreform der Regierung erkennen können ...