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Vom sicheren Hafen in die Goldblase

Von Claudia Peintner

Wirtschaft

Anleger flüchten als Absicherung vor Inflation in Gold. | Goldpreis steigt - trotz Nachfrageeinbruch bei Schmuck und Industriegold. | Münze Österreich profitiert. | Wien. "Am Golde hängt, zum Golde drängt doch alles", reimte Goethe im "Faust". Wohl wahr, wenn man den aktuellen Ansturm aufs gelbe Edelmetall beobachtet. Doch wie sicher ist die Flucht in den Hafen Gold tatsächlich?


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In den ersten drei Monaten dieses Jahres stieg die Nachfrage nach Gold weltweit um 38 Prozent auf ein Rekordhoch von 1016 Tonnen. Den stärksten Nachfrage-Anstieg verzeichnete Österreich, wo Privatanleger 22,7 Tonnen Gold nach 1,9 Tonnen im ersten Quartal 2008 kauften. Profitiert vom Ansturm hat die Münze Österreich: Der Umsatz der Münzprägestätte 2008 hat sich gegenüber dem Jahr davor auf 1,2 Milliarden Euro vervierfacht. Beim Gewinn gab es einen Zuwachs von 57,8 Millionen Euro auf 61,8 Millionen.

"Je mehr die Aktienkurse auf ungewisser Berg- und Talfahrt sind, erscheint Gold als stabile Geldanlage", deutet Ronald Stöferle, Goldexperte der Erste Bank, den Nachfrageschub. Auch die Sorge vor wachsender Inflation veranlasse derzeit viele, sich mit Barren und Münzen einzudecken. Der Grundgedanke dahinter: Werden riesige Geldmengen in den Markt gepumpt - wie aktuell durch die Konjunkturpakete -, verlieren im Umlauf befindliche Zahlungsmittel immer mehr an Wert. Gold hingegen, das im Vergleich zu Papiergeld von den Notenbanken nicht beliebig vermehrt werden kann, hält seinen Preis stabil.

Der Goldpreis befindet sich seit Monaten auf Höhenflug. Derzeit bekommt man für die Feinunze Gold (31,1 Gramm) an der Londoner Börse knapp 980 Dollar, Anfang 2001 notierte das Edelmetall noch bei rund 355 Dollar. In den nächsten drei bis fünf Jahren ist ein Anstieg auf 2300 möglich, prognostiziert Stöferle.

Ein Anstieg, dem anderen Rohstoffexperten mit Skepsis entgegenblicken: "Gold gilt zwar traditionell als Rettungsanker in unsicheren Zeiten", sagt Eugen Weinberg von der deutschen Comerzbank. Vom Kauf zu reinen Spekulationszwecken rät er ab.

Spekulativer Goldrausch

Doch genau dieser Trend lässt sich derzeit beobachten. Aus den jüngsten Daten des Welt-Goldrats, einer Organisation der großen Minenkonzerne, geht hervor, dass es hauptsächlich die Spekulanten sind, die den Goldpreis hochtreiben.

Die Käufe von sogenanntem "Papiergold" - also von Wertpapieren, deren Kursentwicklung sich am Goldpreis orientiert wie etwa Exchange Traded Funds - wuchsen im ersten Quartal 2009 um 540 Prozent. Damit übertraf erstmals die Investorennachfrage jene der Schmuckindustrie, dem bisherigen Goldmotor.

Die verkaufte Goldschmuckmenge in Indien, wo Gold als Mitgift für Hochzeiten eine tragende Rolle spielt, brach um 83 Prozent ein. "Statt neues Gold zu kaufen, griffen viele Menschen im ersten Quartal auf Altbestände zurück", erklärt Konrad Aigner von der Deutschen Bank. Auch die Nachfrage nach Industriegold für den Elektro- und IT-Sektor ging wegen der Wirtschaftskrise im Vergleich zum Quartal des Vorjahres um 31 Prozent zurück.

Angesichts des schwindenden Verbrauchs und der hohen Bestellmenge liegt die Vermutung nahe: Bläht sich mit dem schwungvollen Goldpreis eine Goldblase auf? "Man kann nicht ausschließen, dass es zu einer Goldblase kommt", sagt Analyst Weinberg. Ernsthafte Sorgen müsse man sich jedoch erst machen, wenn der Preis auf 2400 hinaufgeschnellt sei.

Gleichzeitig sei ein Umfeld notwendig, in dem der US-Dollar an Stärke gewinne. Das Vertrauen in die Aktienmärkte müsste zurückkehren und die Inflationsgefahr gebannt sein.

Kein baldiges Krisenszenario sieht Analyst Stöferle: Selbst wenn der Goldpreis hinunter rasseln sollte, könne Gold im Gegensatz zu anderen Währungen nicht wertlos werden. Gold habe seine Kaufkraft selbst während hyperinflationärer Phasen (etwa nach 1929) beinahe unverändert behalten. Ein Vergleich aus der Geschichte belegt dies: "Um eine Unze Gold bekommt man heute einen Herrenanzug und ein paar Schuhe, im antiken Rom erhielt man dafür eine Toga und Sandalen", so Stöferle.

Am Rande

Goldautomaten statt Ausgabe in der Bank?

Wer in Gold investieren will, könnte künftig statt zur Bank einfach zu einem Goldautomaten gehen. Ein deutscher Vermögensverwalter will heuer 500 Goldautomaten in Deutschland, Schweiz und Österreich aufstellen. Über die an zentralen Plätzen wie Bahnhöfen, Flughäfen und Einkaufszentren geplanten Goldautomaten sollen Fünf- und Zehn-Gramm-Stücke und Münzen erhältlich sein.