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Medien und Sendeformate haben ihre eigenen Gesetze und Umgangsformen. So ist es in der Barbara Karlich Show auf ORF 2 Usus, dass alle Teilnehmer mit "Du" angesprochen werden. Damit wird suggeriert, dass es sich um eine persönliche Ebene des Gesprächs handeln würde. Eine Illusion, denn Talkshows sind keine Orte der Begegnung. Mögen die Menschen noch so eng nebeneinander sitzen und Vertraulichkeit signalisieren, sie bleiben wie durch unsichtbare Wände voneinander getrennt.
Für den Österreich 1 Klassik-Treffpunkt hingegen schreibt der Moderatoren-Knigge das "Siezen" vor. Am vergangenen Samstag war Klaus Maria Brandauer Gast bei Otto Brusatti. Gleich zu Beginn kündigte Brusatti an, eine Ausnahme von der Regel machen zu wollen. Weil er dem Schauspieler und Regisseur schon seit Jahrzehnten freundschaftlich verbunden sei, wäre ein Beibehalten des einst erteilten Du-Wortes wohl angebracht. Der Moderator hielt sich dann auch eineinhalb Stunden lang an diese Vorgabe, während KMB immer wieder in das "Sie" verfiel. So entstand beim Zuhörer der für Brusatti eher peinliche Eindruck, dass es mit der Freundschaft wohl doch nicht so weit her sein dürfte. Haben sie sich bei einer Abendgesellschaft nur so zugeprostet?
Auch der umgekehrte Fall kann mit Peinlichkeit verbunden sein. Albert Hosp sprach bei einer schon länger zurückliegenden Live-Weihnachtssendung aus dem RadioKulturhaus einen Anrufer konsequent per Sie an - und das, obwohl sich dieser längst als sein eigener Bruder zu erkennen gegeben hatte. Als sich später gar noch eine Tante am Telefon einstellte, war das Maß dann voll.