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Vom Sinn des Sparens

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Finanzbildung beginnt mit der Botschaft, dass wirtschaftliche Unabhängigkeit ein Wert ist.


Wir schreiben das Jahr 2012, als der progressive US-Wirtschaftswissenschafter Paul Krugman unter gänzlich anderen Umständen ein Buch ("Vergesst die Krise! Warum wir jetzt Geld ausgeben müssen") schreibt, das auf die Botschaft "Sparen macht arm" hinausläuft. Damals ging es um die Folgen der internationalen Finanzkrise, die vor allem durch massive öffentliche wie private Investitionen überwunden werden sollten.

Krugman, der 2008 auch mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, wollte so eine doppelte Wirkung erzielen: mehr Wachstum und höhere Inflation. Zur Erinnerung: Damals drohte, befeuert durch die Zukunftsangst vieler Menschen, das Schreckgespenst der Deflation, also sinkender Preise und Einkommen.

Heute gilt "Sparen macht arm" in einem ganz unmittelbaren Sinn: Wer sein Geld am Bankkonto und nicht in Immobilien oder den volatilen Aktienmärkten angelegt hat, kann angesichts der zuletzt stark gestiegenen Inflation und nicht vorhandenen Zinsen seinen Ersparnissen beim täglichen Wertverlust zusehen. Und zwar wortwörtlich. In Deutschland klettert die Teuerung mit 4,5 Prozent auf den höchsten Stand seit 1993, im Euroraum lag sie im November bei durchschnittlich 3,4 Prozent.

Wie man angesichts dieser Entwicklung, über deren Nachhaltigkeit niemand noch seriös eine Aussage treffen kann, Ersparnisse wie Einkommen zumindest werterhaltend anlegt, ist zu einer zentralen Frage geworden - und auch politisch von höchster Relevanz.

Das Wissen dazu ist Mangelware. Studien belegen seit Jahren und eigentlich Jahrzehnten massive Defizite in Sachen Finanzbildung. Es hapert bereits bei grundlegenden Zusammenhängen quer durch die Generationen. Auch deshalb gelingt es halbseidenen Anlageberatern immer wieder, durch Vorspiegelung fantastischer Renditen und Verschleierung faktischer Kosten naiven Anlegern das Geld aus der Hosentasche zu ziehen.

Bei einer solchen umfassend verstandenen Finanzbildung handelt es sich um eine klassische Querschnittsmaterie, die nicht beim Verständnis von Zinseszins und der Unterscheidung diverser Anlageformen endet. Ganz zu Beginn müsste Botschaft stehen, dass wirtschaftliche und damit auch finanzielle Unabhängigkeit der Menschen ein Ziel von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung ist und Vermögensaufbau ein, wenngleich nicht der einzige Mosaikstein für Sicherheit und Unabhängigkeit. Ein Staat, der zulässt, dass Sparen tatsächlich arm macht, hat deshalb ein Problem auf vielfacher Ebene, auch im Verhältnis zu seinen Menschen.