Die Anerkennung einer palästinensischen Staatlichkeit in der UNO wird kein einziges der Probleme im Nahen Osten lösen, sondern droht, die Situation noch zu verschlechtern.
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Ganz gleich, was man vom Vorgehen der aktuellen Regierung in Jerusalem hält: Fakt ist, dass es derzeit keine Verhandlungen über die Etablierung einer palästinensischen Staatlichkeit gibt, weil sich die palästinensische Seite beharrlich weigert, sich ohne Vorbedingungen an solchen Verhandlungen zu beteiligen, was auch Linke in Israel scharf kritisieren.
Auch wenn man sich die Frage stellen könnte, warum die Welt ausgerechnet durch eine weitere Staatsgründung besser werden sollte: Gäbe es nur eine minimale Chance, dass sich der Konflikt durch die Anerkennung einer palästinensischen Staatlichkeit entschärft und die Situation für alle Seiten verbessert, ließe sich ihr einiges abgewinnen. Doch das exakte Gegenteil wird der Fall sein: Eine Anerkennung Palästinas als Staat in der UNO wird den Antisemitismus nicht aus der Welt schaffen und kein einziges der Probleme im Nahen Osten lösen.
Die Wahrscheinlichkeit hingegen, dass sie zu einer erneuten Eskalation der Situation beiträgt, ist ausgesprochen groß.
Sicher ist, dass sie die aktuell bestehenden Kooperationen zwischen Israelis und Palästinensern erschweren, wenn nicht verunmöglichen würde. Allein deshalb sollten sich ihr nicht nur die USA verweigern.
Man sollte sich angesichts der aktuellen Debatten auch in Erinnerung rufen, dass es schon seit Jahrzehnten einen palästinensischen Staat an der Seite Israels geben könnte, wenn sich die arabische Nationalbewegung nicht immer wieder zum Krieg gegen den jüdischen Staat entschieden hätte.
Maßgeblich inspiriert wurde sie dazu von Antisemiten und Nazi-Kollaborateuren wie Amin El-Husseini, der als Mufti von Jerusalem einer der Gründungsväter der palästinensischen Nationalbewegung war.
Dass die symbolische Anerkennung einer palästinensischen Staatlichkeit eine solche nicht schafft, weiß auch die heutige Führung der PLO. Dass Mahmud Abbas dennoch darauf setzt, ist nur vor dem Hintergrund der Kampagne zur Delegitimierung Israels zu verstehen. Maßgeblichen Teilen der palästinensischen Nationalbewegung, und keinesfalls nur radikalen Islamisten, geht es perspektivisch offensichtlich um etwas ganz anderes als einen Staat an der Seite Israels. Das verdeutlichen nicht nur mehrere Umfragen in der Westbank und in Gaza, sondern auch das Festhalten von Abbas am sogenannten "Rückkehrrecht" für palästinensische Flüchtlinge, dessen Umsetzung das sichere Ende Israels als jüdischer Staat wäre.
Sollte eine spätere, aus Verhandlungen resultierende Gründung eines palästinensischen Staates hingegen die Sicherheitsinteressen Israels berücksichtigen und also etwa eine Entmilitarisierung Palästinas, eine israelische Militärpräsenz am Jordan und die Akzeptanz Israels als jüdischen Staat beinhalten, so wäre aktuell eine überwältigende Mehrheit der israelischen Bevölkerung dafür und wohl auch zu Kompromissen in der Frage der Teilung Jerusalems bereit.
Stephan Grigat ist Lehrbeauftragter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien.