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Vom Streben nach Transparenz und Sicherheit

Von Berthold Hofbauer und Stefan Mathias Ullreich

Recht
Öffentliche Auftraggeber sind dazu verpflichtet, aktiv geeignete Maßnahmen zur wirksamen Verhinderung, Aufdeckung und Behebung von Interessenskonflikten zu setzen und effektive (Kontroll-)Mechanismen vorzusehen.
© adobe.stock / EtiAmmos

Die Vergabe-Compliance als Staatspflicht: Der öffentliche Einkauf ist gefragt, die entsprechenden Schritte zu setzen.


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Die Sicherstellung einer proaktiv gelebten und dokumentiert "sauberen" Vergabekultur ist gesetzliche Verpflichtung und (letztlich) auch eine Imagefrage der öffentlichen Hand. Für eine gesetzeskonforme Vergabe-Compliance gilt es, drei zentrale Säulen umzusetzen: die Compliance-Regelungen des Bundesvergabegesetzes BVergG 2018, das Informationsfreiheitsgesetz und die Whistleblower-Richtlinie. Der gegenständliche Beitrag befasst sich mit den Compliance-Regelungen im BVergG 2018. Im demnächst an dieser Stelle erscheinenden Teil zwei folgen die (sonder-)rechtlichen Compliance-Verpflichtungen in der Vergabe.

Vor mehr als zwei Jahrzehnten ist mit dem BVergG die erste gesetzliche Regelung zur öffentlichen Auftragsvergabe in Österreich in Kraft getreten. Grundlage hierfür waren die EU-Vergaberichtlinien zum Zeitpunkt des Beitritts Österreichs zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 1994, welche in die nationale Gesetzgebung einzuarbeiten waren. Seit diesem Zeitpunkt hat sich das Vergaberecht so dynamisch wie kaum ein anderes Rechtsgebiet weiterentwickelt und bereits mehrere bedeutende Novellierungen durchlaufen (insbesondere BVergG 1997, BVergG 2002 und BVergG 2006, BVergG 2016). Dieser Prozess setzt sich ständig fort, gilt es doch, einerseits die sich stetig ändernden europarechtlichen Vorgaben umzusetzen und andererseits, die mit der gewachsenen österreichischen Vergabekultur einhergehenden innerstaatlichen Anforderungen gesetzlich einzubetten.

Eine Totalrevision des Vergabegesetzes

Zuletzt wurde mit dem BVergG 2018 und dem BVergGKonz 2018 eine Totalrevision des Vergabegesetzes vorgenommen und auch die Vergabe von Dienstleistungs- und Baukonzessionen innerstaatlich determiniert. Die Schaffung eines rechtlichen Regelungsrahmens der öffentlichen Auftragsvergabe war und ist ein - sowohl von wirtschaftlicher als auch rechtspolitischer Seite - lang geforderter und zwingend erforderlicher Meilenstein in der Entwicklung des Rechts der Privatwirtschaftsverwaltung. Insbesondere in Anbetracht des wirtschaftlichen Ausmaßes des öffentlichen Beschaffungswesens (das jährliche Ausschreibungsvolumen beläuft sich auf rund 17,9 Prozent des BIPs und somit 62 Milliarden Euro) wird deutlich, dass dieses einer gesetzlichen Regelung bedarf, die einen ökonomisch effizienten und transparenten Einsatz öffentlicher Mittel sicherstellt.

Der Beweis, dass der staatliche Beschaffungsapparat ohne gesetzliche Schranken aufgrund der vielfach monopolähnlichen Nachfragestruktur (Oligopson) beziehungsweise mangels echten Anbieterwettbewerbs eine erhöhte Interventionsanfälligkeit aufweist, wurde bereits in den 80er- und 90er-Jahren anhand mehrerer Bauskandale eindrucksvoll erbracht - zum Beispiel des "Baukartell-Affäre-U-Bahnbaus" oder des "Karawanken-Autobahn-Skandals".

Zwei Leitfäden der Europäischen Kommission

Konsequente Fortführung der Transparenzziele des Vergaberechts und zentraler Teil deren Sicherstellung ist allerdings eine umgesetzte Vergabe-Compliance. So hat auch die Europäische Kommission jüngst die Vergabe-Compliance zur "Chefsache" erklärt und innerhalb kürzester Zeit zwei Leitfäden im Umgang mit Interessenkonflikten bei öffentlichen Vorhaben erlassen: Einerseits den Leitfaden zur Bekämpfung geheimer Absprachen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Bekanntmachung vom 18.3.2021, 2021/C 91/01) und andererseits den Leitfaden zum Umgang mit Interessenkonflikten gemäß der Haushaltsordnung (Bekanntmachung vom 9.4.2021, 2021/C 121/01).

In den Bekanntmachungen werden umfassende Instrumente zur Bekämpfung geheimer Absprachen sowie Leitlinien für die Anwendung des entsprechenden Ausschlussgrundes und zur Vermeidung von Interessenkonflikten genannt. Die EU-Kommission stellt wörtlich klar: "Es ist von größter Bedeutung, diese [Interessenkonflikte, Anm.] entweder zu vermeiden oder sie angemessen zu steuern, wenn sie auftreten. Diese Anforderung ist für die Aufrechterhaltung der Transparenz, des Rufs und der Unparteilichkeit des öffentlichen Sektors und der Glaubwürdigkeit der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit als Grundwert der EU entscheidend. Dies ist unerlässlich, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität und Unparteilichkeit öffentlicher Stellen und Beamter sowie in die Entscheidungsprozesse, die dem Gemeinwohl dienen, aufrechtzuerhalten."

Der öffentliche Einkauf ist daher jetzt gefragt, die entsprechenden Schritte zu setzen und folgende drei zentrale Säulen der Vergabe-Compliance zu verbinden: das BVergG 2018, das Informationsfreiheitsgesetz und die Whistleblower-Richtlinie.

Der bloße Anschein schadet bereits

Das BVergG 2018 sieht unter dem Titel "Vermeidung von Interessenskonflikten" erstmals die gesetzliche Verpflichtung für öffentliche Auftraggeber zur Einrichtung einer internen Vergabe-Compliance vor. So hat gemäß § 26 BVergG 2018 "der öffentliche Auftraggeber [. . .] geeignete Maßnahmen zur wirksamen Verhinderung, Aufdeckung und Behebung von sich bei der Durchführung von Vergabeverfahren ergebenden Interessenkonflikten" zu ergreifen. Die Bestimmung ist dabei als konkretes "Gefährdungsverbot" ausgestaltet. Dies bedeutet, dass die Norm bereits auf die Verhinderung der Entstehung einer Gefahrensituation abzielt (zum Beispiel bereits die bloße Beteiligung eines befangenen Mitarbeiters an der Bewertungskommission). Auf die tatsächliche Verwirklichung der Gefahr, wie die tatsächliche Beeinflussung der Bewertungskommission, kommt es gar nicht an. Diesen Überlegungen folgend, schadet daher auch bereits der bloße Anschein eines Interessenkonflikts.

Öffentliche Auftraggeber sind somit dazu verpflichtet, aktiv - und zwar unabhängig von einem konkreten Vergabeverfahren - geeignete Maßnahmen zur wirksamen Verhinderung, Aufdeckung und Behebung von Interessenskonflikten zu setzen und effektive (Kontroll-)Mechanismen vorzusehen. In den erläuternden Bemerkungen zum BVergG 2018 werden folgende Maßnahmen beispielhaft angeführt:

  • Einrichtung eines Compliance-Systems;

  • Einrichtung eines internen Revisions- oder Controlling-Systems;

  • vorbeugende Aufklärungskampagnen über Meldepflichten bei Interessenkonflikten;

  • anonyme Meldesysteme betreffend Verdachtsfälle;

  • personelle Durchgriffsrechte (zum Beispiel Versetzungen).

Zur Vermeidung von Interessenkonflikten

In diesem Zusammenhang verlangt etwa der Rechnungshof auch das Einholen sogenannter Leermeldungen von Personen mit Entscheidungsbefugnis. Weiters empfiehlt er die pönalbewehrte Implementierung spezieller Vertragsklauseln zur Wahrung der Integrität und Vermeidung von Interessenkonflikten. Flankiert werden die verpflichtenden Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenskonflikten von Bestimmungen über die Zulässigkeit sogenannter Vorarbeiten von Bietern. Auch Rahmenbedingungen von Markterkundungen durch Auftraggeber sowie exakte, gesetzlich vorgeschriebene Dokumentationspflichten, welche die Nachvollziehbarkeit und schlussendlich Transparenz des Beschaffungsprozesses sicherstellen sollen, sind vorhanden. Wesentlicher Bestandteil ist die Führung eines Vergabeaktes und die Erstellung eines Vergabevermerks mit gesetzlich festgeschriebenem Mindestinhalt (wie der Wert des Auftrages).

Der Rechnungshof geht hier noch ein wenig weiter beziehungsweise empfiehlt die Erstellung eines "aussagekräftigen Vergabeberichts". Das BVergG 2018 sieht in diesem Kontext auch gesonderte Aufbewahrungspflichten vor, die vor allem in Hinblick auf eine nachträgliche Kontrolle von Relevanz sind - zum Beispiel im Falle einer Anfechtung einer Entscheidung im Vergabeverfahren beim Verwaltungsgericht, einer internen Revision oder einer Überprüfung durch den Rechnungshof.

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Demnächst wird an dieser Stelle der zweite Teil der Autoren zum Thema Vergabe-Compliance erscheinen.