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Vom Thron direkt in den Himmel

Von Lucian O. Meysels

Politik

Saddam Hussein hätte es eigentlich wissen müssen. Von allen seinen Vorgängern, ob Könige oder Präsidenten, starb nur einer im Amt eines natürlichen Todes. Und auch das ist nicht sicher.


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Die Ausnahme war Feisal Ibn Hussein, der erste König des von den Briten als Verlegenheitslösung ins Leben gerufenen Staates Irak. Er war der Sohn Husseins, des letzten Sherifen von Mekka, direkter Nachfahr des Propheten Mohammed, Chef des Hauses der Haschemiten und Freund des legendären Britischen Obersten T. E. Lawrence. Er wollte eigentlich König von Syrien werden, wurde aber aus Damaskus von den Franzosen vertrieben, denen die Entente-Mächte im Ersten Weltkrieg diese Land versprochen hatten. Als Entschädigung boten die Briten Feisal Irak an. Dafür musste sich sein Bruder Abdallah, der für Bagdad vorgesehen war, mit dem Emirat Transjordanien zufrieden geben.

1930 gewährte London dem bislang als Protektorat regierten Irak die nominelle Unabhängigkeit. Der Beduine Feisels, wie sein Ahnherr Mohammed in Mekka geboren, blieb indes zeitlebens in "seinem" Königreich ein "Zuagroaster". Die wahre Macht hielten sein Premierminister Nuri Said und die Briten in den Händen. Er starb 1933, kaum 50 Jahre alt, in einem Spital in Bern. An einer Lungenkrankheit, hieß es. Aber die Gerüchteküchen in den Basars von Bagdad brodelten.

Feisals Nachfolger wurde sein Sohn Ghazi. Dieser starb am Vorabend des Zweiten Weltkriegs bei einem Autounfall. Nun kochten die Töpfe in den irakischen Basars richtig über: Die Briten hätten Ghazi ermordet! Ein Mob in Mossul lynchte den britischen Konsul Monck-Mason.

Putsch der Hitler-Bewunderer

Dritter König von Bagdad wurde Ghazis blutjunger Sohn Feisal II. Er stand unter der Regentschaft des Cousins seines Vaters, Abdul Illah Ibn Ali und unter der Fuchtel Nuri Saids. 1941 zettelten deutsche Agenten einen Putsch unter dem Hitler-Bewunderer Raschid Ali al Gailani an.

Die königliche Familie musste zusammen mit Nuri Said fliehen, und der Mob von Bagdad löste ein blutiges Pogrom aus und plünderte jüdische Geschäfte. Alles schon da gewesen.

Raschid Ali gelang es jedoch nicht, die britische Basis Habbaniah zu erobern und die Engländer kehrten schon wenige Monate später mit dem König und Nuri Said im Schlepptau als Sieger zurück.

Nach dem Krieg versuchten die Briten den sogenannten "Bagdad-Pakt" als Gegengewicht zum aufkeimenden Nationalismus Gamal Abdel Nassers zu bilden, der sich aber als Totgeburt erwies. 1958 kam ein zu einen selbst für irakische Verhältnisse besonders blutigen Putsch unter der Führung des Generals Abdel Karim Kassem, dem die Regierung leichtsinnigerweise die militärische Kontrolle über Bagdad überlassen hatte. König, Regent und Nuri Said wurden abgeschlachtet.

Nasser als Drahtzieher

In westlichen Medien wurden Nasser als Drahtzieher des Coups angesehen, doch Kassem weigerte sich, die Macht abzugeben. Bis er selbst 1963 gestürzt wurde. Seine, von Kugeln durchsiebte Leiche wurde im Fernsehen als Beweis für seinen Tod gezeigt. Seine zahlreichen Denkmäler landeten im Schrott, sofern die kopflosen Körper der Statuen nicht von seinen Nachfolgern wiederbenutzt wurden.

Mysteriöser Flugzeugabsturz

Kassems Nachfolger, der Nasser-Fan Abdel Salam Aref, den Kassem eingekerkert hatte, hielt sich nur drei Jahre lang. Dann kam er bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz ums Leben und wurde von seinem Bruder Abd er-Rahman ersetzt, der seinerseits von einem Militärputsch unter der nominellen Führung des angesehenen alten Generals Hassan el Bakr geführt wurde. Alsbald stellte sich doch heraus, dass Bakr nur als Strohmann für den Provinzpolitiker Saddam Hussein el Takriti dienen sollte, der dennoch die totale Macht übernahm. Der Rest ist Geschichte.

Angesichts des Schicksals Saddams ist es verwunderlich, dass sich so viele Politiker um seine Nachfolge bewerben. Doch auch das hat einen guten Grund. Dem neuen "Rais" winken die Milliarden die für den Wiederaufbau Iraks versprochen wurden. Und von derartigen Geschenken hat noch kein "Kalif" von Bagdad keinen Schnitt gemacht.