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Vom Umgang mit einem Weltkulturerbe

Von Günter Dinhobl

Kommentare

Der Semmering-Basistunnel soll die Semmeringbahn nicht ersetzen oder gar zerstören, sondern im Gegenteil entlasten. Eine Replik auf die Kritik am Managementplan, der auch der Unesco vorliegt.


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Der Gastkommentar von Christian Schuhböck ("Wiener Zeitung", 14. Juni 2011) zum Welterbe Semmeringbahn weist gravierende Mängel auf. Eine korrekte Recherche hätte einen qualitativen Beitrag zur Diskussion geleistet.

Der von Schuhböck zitierte Denkmalschutz-Bescheid zur Semmeringbahn beginnt im Bahnhof Gloggnitz (bei Kilometer 75,650) und nicht, wie er schreibt, knapp hinter Gloggnitz. Die Unesco ist über den Sachverhalt der auf die Bahn-Kilometer bezogenen Grenzen des nationalen Denkmalschutzes informiert, denn dies findet sich im von Schuhböck ebenfalls zitierten Managementplan, der auch an die Unesco übermittelt wurde.

Schuhböck kritisiert als "Gipfel des frivolen Umgangs", dass "nur noch die Bahntrasse und der Lokschuppen in Mürzzuschlag als Kernzone deklariert" seien, während die Kulturlandschaft "zur Pufferzone degradiert" worden sei. Das hätte ihm schon 1998 auffallen müssen: Denn die Welterbestätte wurde von der Unesco als "Semmering Railway" aufgenommen, und bis heute findet sich in der offiziellen Unesco-Bezeichnung keinerlei Hinweis auf die umgebende Kulturlandschaft (Internet: whc.unesco.org/en/list/785).

Bei den Entscheiden der Unesco über andere aufgenommene Eisenbahn-Welterbestätten zählt ebenfalls "nur" die Eisenbahn selbst zur Welterbe-Kernzone: Bei der Rhätischen Bahn in der Schweiz ist es ähnlich wie am Semmering der Bahnkorridor, die teils unter nationalem Denkmalschutz stehenden Orte und Landschaften liegen in der Pufferzone; bei der Welterbestätte Indische Bergbahnen ist sogar nur der schmale Korridor der Spurweite der Eisenbahnstrecken als Kernzone ausgewiesen.

Das Ziel der Welterbekonvention, Welterbestätten vor Beeinträchtigungen zu schützen, ist wohl korrekt. Allerdings hat Schuhböck die Beeinträchtigung einer zu großen Nutzung eines Welterbes nicht in seine Gedanken einbezogen. Eine zu große Nutzung von Welterbestätten durch Tourismus ist inzwischen durchaus ein international geführter Diskussionspunkt. Bei der Semmeringbahn wird dies wohl nicht eintreten, hingegen ist die Nutzung der Verkehrsrouten im gesamten Alpenbereich stark: Gemäß Schweizer Statistiken stieg der Güterverkehr auf der von Wien ausgehenden Südachse (Pässe Semmering und Wechsel) seit 1986 auf der Straße von 5,7 auf 15,2 Millionen Tonnen und auf der Schiene von 5,9 auf 9,5 Millionen Tonnen.

Auch Schuhböck als Vertreter einer Natur-, Kultur- und Landschaftsschutzorganisation sollte sich ernsthaft überlegen, ob er mit der Verhinderung eines Eisenbahn-Basistunnels den Güterverkehr nicht indirekt der Straße in die Hände spielt. Die Erhaltung der Semmeringbahn im Betrieb ist in den Einreichunterlagen zur Basistunnel-UVP zu finden (www.oebb.at/infrastruktur/__resources/llShowDoc.jsp?nodeId=15163475, Zugzahlenabschätzung 2025 - Seite 71ff). Der Basistunnel soll die Semmeringbahn nicht ersetzen, sondern vielmehr ergänzen.

Günter Dinhobl ist Historiker, Physiker und Maschinenbauer sowie österreichischer National Representative des internationalen Denkmalrates für das Industrieerbe (www.ticcih.org).

Dieser Gastkommentar gibt ausschließlich die Meinung des betreffenden Autors wieder und muss sich nicht zwangsläufig mit jener der Redaktion der "Wiener Zeitung" decken.