Zum Hauptinhalt springen

Vom Unglück der Krankenkassen

Von Heike Hausensteiner

Politik

Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger spricht sich erneut für eine Erhöhung der Versicherungsbeiträge aus. Denn die gesetzlichen Krankenversicherer erwarten für heuer und nächstes Jahr ein Defizit von 5 Mrd. Schilling. Die angehobene Rezeptgebühr und die neuen Ambulanzgebühren werden aber nicht reichen, um das Defizit zu decken.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 24 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Ausgaben steigen stärker als die Einnahmen. Den Krankenversicherungen drohen daher im Frühjahr Liquiditätsprobleme. Der Präsident des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, Hans Sallmutter, lehnt jedoch Selbstbehalte sowie die höhere Rezeptgebühr als "Anlass bezogene Zuzahlungen" nach wie vor ab.

Per 1. Oktober wurde die Rezeptgebühr von 45 auf 55 Schilling erhöht. Die Ambulanzgebühren werden ab 1. Jänner 2001 fällig. Abgerechnet werden sie aber erst im ersten Quartal des Folgejahres. Die Einnahmen fließen daher mit einjähriger Verzögerung in die staatlichen Krankenkassen, den größten heimischen Spitalserhaltern. Aus der höheren Rezeptgebühr sollen 600 Millionen Schilling lukriert werden. Wieviel die Ambulanzgebühren bringen, ist offen. Viele Patienten würden sich von einem Ambulanzbesuch abhalten lassen und in die Ordinationen abwandern. Das ist auch die Absicht des Gesetzgebers, um den stationären Spitalsbereich zu entlasten. "Wir bleiben aber auf den Kosten der eigenen Einrichtungen sitzen", fürchtet Sallmutter. Und: "Der Finanzminister verdient an unserem Unglück mit."

Stattdessen sollte die Regierung über eine Ausweitung der gesetzlichen Mittel nachdenken. Teile der Tabak-, der Alkohol- und der Verkehrssteuer sollten der Krankenversicherung zweckgewidmet werden.

Steuergelder in die Krankenkassen

"Wenn man sich das nicht traut, soll man über eine moderate Beitragserhöhung nachdenken." Sallmutter nennt 0,3 Prozent, die knapp fünf Mrd. Schilling brächten. "Das wäre fair und sozial gerecht." Und das solidarische Prinzip sollte weiter verfolgt werden. Zumal im europäischen Vergleich der Versicherungsanteil in Österreich ohnehin gering sei: Am höchsten ist er mit 7,9 Prozent bei den Arbeitern. In Deutschland hingegen betrage der Versicherungsanteil 12 und 16 Prozent. Beitragseinnahmen sollten an die gesamte volkswirtschaftliche Wertschöpfung angepasst werden. Die VP-FP-Koalition sei aber aus parteipolitischen Gründen dagegen.

Solidarität durch Beitragserhöhung

Mehrheitlich abgelehnt wird eine Beitragserhöhung auch in einer Fessel+GfK-Umfrage des Hauptverbandes. 63 Prozent sprechen sich dagegen aus, 35 Prozent dafür. Für eine Preissenkung bei den Medikamenten und für strengere Kontrollen bei der Abrechnung der Ärzte sprechen sich jeweils 55 Prozent der Befragten aus. Mehr Selbstbehalte, Leistungskürzungen oder teure medizinische Leistungen ab einem bestimmten Alter nicht mehr zur Verfügung zu stellen werden naturgemäß ebenso abgelehnt.

Zur Kosteneindämmung sollen die Verwaltungskosten der Sozialversicherungen eingefroren werden, hat die Regierung beschlossen. Für heuer rechnet der Hauptverband aber mit 11,9 Mrd. Schilling, 1999 waren es 11,35 Mrd. (von 461 Mrd. Schilling Gesamtbudget). Einsparungen erwarten sich die Sozialversicherungen auch durch die flächendeckende elektronische Vernetzung. Zur Einführung der Chipkarte anstelle des Krankenscheins läuft derzeit noch das Vergabeverfahren. Eine Entscheidung soll laut Plan im November fallen. Sallmutter denkt auch an Leistungskürzungen. Etwa Kuraufenthalte für mitversicherte Partner könnten künftig nicht mehr von der Versicherung bezahlt werden. Auch Sonderklasse-Leistungen könnten zurückgenommen werden.

Bei den Medikamentenkosten greife man gerne auf die Unterstützung der Regierung zurück. "Hier kann uns die Politik helfen. Sie hat die Handelsspanne bei den Apotheken in der Hand", meint Sallmutter. Die Gesamtkosten haben 1999 rund 25,6 Mrd. Schilling betragen und sollen heuer um 0,5 Mrd. gesenkt werden. Seit Mai 1999 verhandle man mit den Pharmafirmen. "Da haben wir nicht auf Zurufe der neuen Regierung reagiert", so Sallmutter. "Gesetzliche Maßnahmen müssen wir aber umsetzen."