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Vom Vergessen für die Sprache

Von Judith Schmitzberger

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Die Dinge sagen uns nicht, wie sie heißen. Im Normalfall übernehmen diese Aufgabe Menschen für uns, die einer Sprache schon länger oder besser mächtig sind als wir. Im Prozess des Spracherwerbes also meist die Eltern. Sie erklären uns die Begriffe unserer Muttersprache, mit denen wir dann unsere Welt gedanklich erobern.


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Der Grund, warum wir sprechen, warum wir unsere Welt durch den Filter Sprache wahrnehmen, ist das Bedürfnis nach Austausch und Kommunikation. Der Mensch ist ein soziales Wesen, die Sprache demnach eine soziale Tatsache. Und das Ergebnis eines langen Prozesses. Statt einen Gegenstand in seinen einzelnen Eigenschaften jedes Mal detailliert beschreiben zu müssen, haben wir uns auf einen Begriff geeinigt. Dinge, die höher sind als der Boden und auf die man andere Dinge stellen oder legen kann, nennen wir Tisch. Damit das möglich ist, attestierte Friedrich Nietzsche, muss der Mensch lernen, zu vergessen. Denn nur, wenn wir Details zu Form, Material und Farbe ausblenden, können wir Tisch sagen. Sprache macht also reicher und ärmer zugleich.

Denn das Wort bleibt trotz aller Vorteile stets Hilfsmittel. Manche Eindrücke lassen sich nicht zugunsten eines Begriffes ausblenden. Und dann überkommt uns die Sehnsucht nach dem Erinnern. An eine Welt, die noch nicht von Sprache vergessen war.

Siehe auch:Der Traum von der Unmittelbarkeit