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Für Italiens Ex-Premier Matteo Renzi werden die Wahlen am Sonntag eine Frage des politischen Überlebens.
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Rom. Am kommenden Sonntag wählen die Italiener ein neues Parlament. Am Tag darauf beginnen Spekulationen und vielleicht sogar schon Verhandlungen über die Bildung einer neuen Regierung in Rom. Im Partito Democratico (PD), der sozialdemokratischen Regierungspartei, wird der Montag zudem ein Tag der Abrechnung sein. Die Frage ist, wie lange sich Parteichef Matteo Renzi nach den Wahlen noch im Amt halten kann. Den letzten veröffentlichten Umfragen zufolge wird der PD zwar hinter der Fünf-Sterne-Bewegung des Gründers und Komikers Beppe Grillo zweitstärkste Einzelpartei. Nur noch etwas mehr als 20 Prozent wurden dem PD zuletzt prognostiziert.
Angesichts der Stärke des Mitte-rechts-Bündnisses um Silvio Berlusconi könnte die Partei aber de facto auf dem dritten Platz landen. Vieles wird sich ab Montag um Matteo Renzi und seinen möglichen Abgang drehen. So schnell wie der 43-jährige Politiker aus der Toskana ist selten ein italienischer Politiker vom Volkshelden zum Buhmann mutiert.
"Il Rottamatore" - der Verschrotter
In atemberaubender Geschwindigkeit war Renzi seit 2013 der Aufstieg an die Spitze der Partei und ein Jahr später auch in das Amt des Ministerpräsidenten gelungen. Der frühere Bürgermeister von Florenz war mit dem Versprechen in die nationale Politik gegangen, die als unfähig wahrgenommene Politiker-Klasse zu "verschrotten".
Zunächst hatte Renzi großen Erfolg, die von ihm geführte Regierung brachte umstrittene, aber bedeutende Reformen auf den Weg, etwa auf dem Arbeitsmarkt. Die Italiener erkannten in ihm den dynamischen, tatkräftigen Macher, der Italien die notwendigen Reformen verordnete. Im Jahr 2014 holte der PD unter seiner Führung knapp 41 Prozent der Stimmen bei der Europawahl. Das ist gerade einmal vier Jahre her, für die italienische Sozialdemokratie fühlt es sich heute an wie eine lange zurückliegende Ära.
Vor allem zwei Fehler unterliefen dem Jungpolitiker. Zum einen trat er mit einem respektlosen und teilweise zu forschen Stil auf und verspielte damit wichtige Sympathien in der eigenen Partei.
Zum anderen manövrierte der ehemalige Christdemokrat die italienischen Sozialdemokraten in die politische Mitte, ohne für entsprechende Gegengewichte zu sorgen. Seine internen Gegner, die noch den altkommunistischen Kadern entstammten und sich in der nach rechts gerückten Partei immer fremder fühlten, sammelten in den Jahren Munition gegen Renzi. Ihren ersten Sieg errangen Renzis Gegner, als dieser nach einem verlorenen Referendum über die Reform der italienischen Verfassung im Dezember 2016 als Premier zurücktrat. Der zweite Tiefschlag soll ab Montag folgen, hoffen die Kritiker.
Opportunist oder kühler Realist?
Die Auflockerung des Kündigungsschutzes haben sie ihm nie verziehen, Renzi verlor so die linke Basis der Partei. Sein Reformpakt mit Ex-Premier Silvio Berlusconi führte dazu, dass Kritiker Renzi bis heute (fälschlicherweise) vorwerfen, in Wahrheit nur ein Alter Ego des Medienunternehmers aus Mailand zu sein.
Renzi ist hingegen kühler Realist, der mit Berlusconi paktierte, weil nur so Reformen durchzusetzen waren. Dennoch scheut auch er nicht vor Geldgeschenken an die italienischen Wähler zurück.
Im Wahlkampf hat er die Aufbesserung eines von seiner Regierung eingeführten monatlichen 80-Euro-Bonus für Familien versprochen. Den alten Proporz in der Partei konterte Renzi mit der Nominierung ihm freundlich gesinnter Listen-Kandidaten für die Wahl. Seit sich im vergangenen Jahr der linke Flügel seiner Partei abgespalten hat, geriet der PD in den Umfragen immer weiter ins Hintertreffen.
Die Parteibasis, aber auch viele gemäßigte Wähler, haben sich längst anderen Führungsfiguren im PD zugewendet. Die Personalie Renzi wirkt wie ein Lehrstück über Hochmut und Fall in der Politik.
Führungsfiguren in der sozialdemokratischen Partei sind heute der bedächtige, aber als grundsolide wahrgenommene Premier Paolo Gentiloni, der als Kandidat für die Führung einer Großen Koalition nach der Wahl gilt. Auch Innenminister Marco Minniti hat sich als stiller, aber tatkräftiger Problemlöser profiliert. Viele Partei-Granden scharren hörbar mit den Hufen, weil sie hoffen, den raumergreifenden und inzwischen allgemein als eher unsympathisch wahrgenommenen Renzi loszuwerden.
Der sagte auf die Frage seiner politischen Zukunft in diesen Tagen: "Es wird keinen Rücktritt geben." Sollten die italienischen Sozialdemokraten am Sonntag unter die 20-Prozent-Marke geraten, hängt Renzis politische Zukunft am seidenen Faden.