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Während der Wahlkampf in Niedersachsen beinahe langweilig vor sich hindümpelt, wurde er in Hessen umso brutaler, je knapper die Prognosen und je näher der kommende Wahlsonntag rückte.
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So kam es im Anschluss ans Wahlkampf-Finale der CDU in Frankfurt am Main sogar zu gewaltsamen Ausschreitungen von Linksextremisten. Prognosen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen in Hessen voraus; dass Andrea Ypsilanti von der SPD-Linken den konservativen Ministerpräsidenten Roland Koch aus dem Amt drängt, wird von Polit-Auguren für möglich gehalten. Aus der "Wer ist eigentlich diese XY-Unbekannt?" (so Gerhard Schröder über seine innerparteiliche Kritikerin) wurde über Nacht der neue Shootingstar der SPD.
Neben Koch gibt es zwei weitere Spitzenpersönlichkeiten, die das für eine Katastrophe hielten: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie Bundeswirtschaftsminister a.D. Wolfgang Clement (SPD). Letzterer warnte davor, seine Parteigenossin zu wählen, weil er deren Nein zu Atom- und Kohlekraftwerken für falsch hält - was ihm beinahe einen Parteiausschluss beschert hätte. Merkel hält den wirtschaftlichen Aufschwung für gefährdet, falls es in Hessen zu einem Linksruck käme.
Den wünschen sich natürlich Oskar Lafontaine und Gregor Gysi von der Linken und stellten Ypsilanti ihre Unterstützung in Aussicht. Nach letzten Umfragen könnte die Linke die Fünf-Prozent-Hürde überspringen und erstmals auch in Westdeutschland in den Landtag einziehen. Zwar lehnt die SPD-Kandidatin eine Zusammenarbeit mit der Linken bisher ab, aber dies haben auch schon andere Parteifreunde vor ihr getan - und schließlich doch mit ihr koaliert.
Angenommen, die letzten Umfragen träfen zu, wäre die Regierungsmehrheit in Niedersachsen für den amtierenden Christian Wulff (CDU) gesichert, und er könnte seine Koalition mit der FDP fortsetzen. In Hessen würde es weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Gelb allein reichen. Beide Lager müssten einen dritten Partner suchen oder eine große Koalition schmieden. Denkbare Alternativen: eine "Ampel" aus Rot-Grün-Gelb, "Jamaika" (schwarz-gelb-grün) oder ein Linksbündnis von SPD, Grünen und der Linken. Derzeit wird jede dieser Konstellationen von mindestens einem Partner kategorisch ausgeschlossen.
Die schärfsten Kontroversen im hessischen Wahlkampf drehten sich um die (ausländische) Jugendkriminalität, der Koch mit mehr Härte begegnen will, was die SPD ablehnt; die Unterschriftenaktion der SPD für gesetzliche Mindestlöhne, die auf das Njet der Union treffen; die Schwierigkeiten bei der jüngst eingeführten Verkürzung der Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre; die Abschaltung des Atommeilers Biblis; Frankfurts Flughafenausbau.
In einem Monat wird Hamburg eine neue Bürgerschaft wählen und im September schließt Bayern das "kleine Wahljahr" ab.