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Ein Satz zur Klarstellung: Die Wahlkampf-Debatte um flexiblere Arbeitszeiten ist so realitätsnah wie ein Sonnenbad auf der Rückseite des Mondes. Ein 12-Stunden-Tag ist - gemäß Sozialpartner-Abkommen aus dem Jahr 2008 - unter bestimmten Voraussetzungen jetzt schon möglich. Das soll Schicht-Betriebe entlasten.
Dass die Arbeitszeit-Debatte so unreflektiert seit Tagen läuft, ist an sich schon schlimm genug. Schlimmer ist, dass die Industriellenvereinigung nun noch eins draufsetzt und ihr eigenes Süppchen kocht. Wenn die Industriellenvereinigung sagen würde, es geht um die Reduzierung von Überstunden-Entgelten, wäre das ehrlicher, aber unpopulär. Immerhin wird dadurch verständlich, dass die wahlwerbende ÖVP verzweifelt versucht, sich aus diesem Sog zu befreien.
Die Vertreter der heimischen Industrie müssen sich aber auch einen inhaltlichen Vorwurf gefallen lassen. Im Frühjahr gab es von den Gewerkschaften die Bereitschaft, über eine Arbeitszeit-Flexibilisierung zu verhandeln, die über die Regelung von 2008 hinausgeht. Die Verhandlung platzte, weil die Industriesparten der Metallindustrie sich weigerten, gemeinsam aufzutreten. Bei dieser Weigerung ging es um Machtpolitik: Ein gemeinsames Auftreten hätte das Bemühen mancher Arbeitgeber ad absurdum geführt, den richtungsweisenden Metaller-Kollektivvertrag zu schwächen.
Dabei war von der ÖVP wenig zu hören, dabei wäre es ihr gut angestanden, der ihr nahestehenden Gruppierung einen Schubs zu geben. Dass sich Arbeit verändert, ist unbestritten. Dass zu dieser Veränderung auch größtmögliche Flexibilität gehört, wohl auch. Die einzige Frage lautet: Wer trägt die Kosten dafür?
Um zu einer Antwort zu gelangen, lohnt der Blick ins Krisenjahr 2009. Als die Auftragseingänge der Industrie gegen null tendierten, schafften die Sozialpartner eine kluge Kurzzeit-Regelung. Die Regierung beschloss öffentliche Haftungen für den industriellen Notfall, die Firmen verzichteten auf großflächigen Personalabbau. Der Effekt ist mittlerweile sichtbar: Österreich kam so gut wie kein anderes EU-Land durch die schweren Monate.
Die Industrie sollte also flexibel sein und sich mit den Gewerkschaften gemeinsam an einen Tisch setzen. Dann wird es auch eine Lösung für neue Arbeitszeit-Regelungen geben. Die deswegen arg gebeutelte ÖVP wäre auch dankbar...