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Den Dritten feierten sie wie einen Sieger. Im Wahlkampfstab des polnischen Links-Bündnisses SLD herrschte Sonntag Abend eine Stimmung, als ob Kandidat Grzegorz Napieralski die Präsidentenwahl gewonnen hätte. Denn den zweistelligen Stimmenanteil - fast 14 Prozent -, mit dem sich Napieralski hinter Bronislaw Komorowski und Jaroslaw Kaczynski platziert hatte, haben ihm selbst viele Anhänger nicht zugetraut. Und schon gar nicht Umfragen vorausgesagt.
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Doch noch überraschender als dies war die Überraschung selbst, mit der viele Kommentatoren auf das Ergebnis des ersten Wahlgangs reagiert haben. Komorowski hätte doch mehr Stimmen bekommen sollen, Kaczynski weniger: Auch das war schließlich aus den Umfragen hervorgegangen. Doch die haben in Polen immer wieder nicht viel mehr als eine Tendenz angezeigt - und manchmal bestätigte nicht einmal die sich.
Vor fünf Jahren hätten laut Befragungen im Vorfeld der jetzige Premier Donald Tusk die Präsidenten- und seine Bürgerplattform (PO) die Parlamentswahlen gewinnen sollen. Doch in beiden Urnengängen erhielt die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) der Brüder Kaczynski den größten Stimmenanteil.
Vier Jahre zuvor hat die Freiheitsunion den Wiedereinzug ins Parlament nicht geschafft, eine Partei, die viele Solidarnosc-Aktivisten - darunter im Übrigen Komorowski - versammelte und auch Teil einer Regierungskoalition gewesen war. Den tiefen Fall der Rechtspartei und den Sieg des SLD mit seinen kommunistischen Wurzeln haben Umfragen damals auch nicht in diesem Ausmaß vorhergesehen.
Dies deutet nicht nur auf die oftmalige Unzuverlässigkeit von Wahlprognosen in Polen hin. Vielmehr zeigt es, wie instabil die Parteienlandschaft 20 Jahre nach dem Scheitern des Sozialismus ist. Da werden Parteien zusammengelegt, gibt es Abspaltungen und neue Bündnisse; da regieren Rechtsparteien, um nach einer Legislaturperiode wieder zugunsten der Linken abgewählt zu werden, die wiederum beim nächsten Urnengang eine herbe Niederlage erleiden.
So kann es auch zu ungewöhnlichen Konstellationen kommen: dass etwa die zwei rechtsgerichteten Kandidaten Komorowski und Kaczynski vor dem zweiten Wahlgang um die Stimmen der Linkswähler kämpfen müssen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Regierung dem SLD-Vorsitzenden Napieralski für die Unterstützung des PO-Kandidaten Komorowski einen Deal anbietet, dass also die ehemaligen Solidarnosc-Kämpfer mit den Sozialisten zusammenarbeiten.
In diesem Fall wird die Kampagne der nächsten zwei Wochen wesentlich härter geführt werden als zuvor. Denn Kaczynski wird scharf reagieren. Der Ausgang der Präsidenten-Stichwahl am 4. Juli ist damit völlig offen - egal, was Umfragen sagen.
Siehe auch:Stichwahl in Polen nötig