)
Abschaffung der Visapflicht löste Migrationswunsch aus. | Rückführungs- aktionen gestartet. | Brüssel/Wien. Groß war der Jubel in Serbien, Mazedonien und Montenegro am 19. Dezember des Vorjahres. Nach 18 langen Jahren wurde die Visapflicht abgeschafft und die Menschen durften in die EU reisen - ohne langwierige Verfahren abwarten zu müssen. Sondermaschinen flogen europäische Hauptstädte an, Autobus-Konvois standen an den Grenzübergängen zwischen Serbien und Ungarn.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Freude ist noch immer ungebrochen: Viele planen ihre Verwandten zu besuchen oder einfach eine Reise nach Wien, Paris oder London. Doch erste große Probleme sind aufgetaucht: Zigtausende Bürger aus Serbien und Mazedonien zogen in den Westen und suchten um Asyl an, um für immer dort zu bleiben. Die EU-Staaten wollen davon aber nichts wissen, erste Rückführungsaktionen laufen bereits.
Brüssel schlug vergangene Woche Alarm, nachdem die Zahl der Asylsuchenden rasant angestiegen war. Tausende Albaner aus Südserbien und Mazedonien zogen nach Belgien, Schweden und in andere EU-Länder. Nach Schätzungen sollen in den vergangenen drei Monaten bis zu 10.000 Albaner den Balkan verlassen haben. In Schweden suchten hunderte Roma um Asyl an. Stockholm stellte bereits klar: Alle werden zurückgeführt.
Belgien schickte schon Dutzende Albaner in Autobussen nach Serbien zurück. Nach Angaben der belgischen Regierung seien hunderte Bürger Serbiens, die Anfang des Jahres um Asyl angesucht hatten, freiwillig zur Rückkehr bereit. Auch Belgrad reagierte bereits: Innenminister Ivica Dacic kündigte an, dass alle Asylsuchenden zurückgeführt würden.
Leere Versprechungen
Die meisten Flüchtlinge stammen aus den südserbischen Gemeinden Presevo, Bujanovac und Medvedja, an der Grenze zum Kosovo, wo etwa 100.000 Albaner leben, und aus dem hauptsächlich von Albanern bewohnten Norden Mazedoniens. Gelockt wurden sie - mit leeren Versprechungen - von lokalen Unternehmen. Viele verkauften ihr Hab und Gut, um sich die Reise in ein neues Leben leisten zu können. Belgrad will nun diese Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen.
Lokale albanische Politiker in Südserbien sehen vor allem ökonomische, aber auch politische Gründe als Motiv für die Flucht. Ragmi Mustafa, Bürgermeister von Presevo, spricht von 70 Prozent Arbeitslosigkeit in seiner Gemeinde. Ebenso seien viele Albaner wegen der "Militarisierung der Region" geflüchtet. Schuld trage die gegen die Albaner geführte Politik Belgrads.
Der Bürgermeister von Bujanovac, Shaip Kamberi, sieht in den Flüchtlingen "Manipulations-Opfer verschiedener Agenturen". Es habe vor allem in Mazedonien regelrechte Kampagnen für ein neues Leben im Westen gegeben. Aber auch Kamberi schließt politische Gründe nicht aus: Offizielle Stellen würden immer wieder vom albanischen Terrorismus reden und mit der Festnahme von Ex-Mitgliedern der "Befreiungsarmee von Presevo, Medvedja und Bujanovac" (UCKPMB) drohen.
2001 kam es in Südserbien zu monatelangen Kämpfen zwischen serbischen Sicherheitskräften und der UCKPMB, die für einen Anschluss an den Kosovo kämpfte. Der Konflikt wurde durch ein Abkommen beendet, das eine wirtschaftliche Entwicklung der Region sichern sollte.
Neun Jahre später ist die wirtschaftliche Lage weiterhin trist. Ein junger Mann aus Presevo, der nun aus Belgien zurück nach Serbien geschickt wurde, dementierte nicht, dass er um Asyl angesucht hatte. Ein politisches Motiv habe er aber nicht gehabt: "Ich war auf der Suche nach einem besseren Leben, aber ich habe es nicht gefunden."