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Von Alpha-Tieren und Stirnfalten

Von Daniel Bischof

Politik

Ein aufgeregter Strache, eine abgewandte Lunacek: Körpersprache-Experte Stefan Verra analysiert die Spitzenkandidaten.


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"Wiener Zeitung": Herr Verra, welchen Eindruck haben Sie bisher von der Körpersprache der Spitzenkandidaten gewonnen?

Stefan Verra: Auch wenn in Österreich viel über den Wahlkampf gelästert wird: Er ist einer der besseren. Im deutschen Wahlkampf hat beispielsweise im Großen und Ganzen nur der FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner bewegt. Deswegen herrschte und herrscht in Deutschland auch ein Spitzenkandidaten-Frust. Das ist in Österreich nicht wirklich der Fall. Hier gibt es Politiker, die bewegen, weil sie sich selber bewegen. Diese Lebendigkeit ist für die Wähler wichtig, weil sie so animiert werden.

Bei welchen Kandidaten sehen Sie diese Lebendigkeit?

Die ausladenden, großen Bewegungen von Heinz-Christian Strache: Die sind für das Gehirn attraktiv. Attraktiv kann aber auch der sein, der mir Sicherheit und Souveränität vermittelt. Das machen etwa Peter Pilz und Christian Kern. Auch Sebastian Kurz stellt uns grobe Inhalte auf eine scheinbar seriöse Art und Weise dar. Die Einzigen, die ein Problem haben, sind die Grünen.

Was ist deren Problem?

Ulrike Lunacek hat eine eher abgewandte Körpersprache. Selbst wenn sie mit anderen kommuniziert, macht sie das oft aus dem Augenwickel heraus. Damit wirkt sie schon beim Zuhören abweisend. Man kennt das, wenn man mit jemandem spricht, der einen nicht mag. Das ist das Grundproblem. So gewinnt man nur die Stimmen von Menschen, die diese Lebenshaltung haben. Das sind nur ganz wenige Prozent. Die meisten Menschen wollen nämlich doch Weitblick und Lösungen. Alle anderen Kandidaten decken mit ihrer Körpersprache auch ganz gut spezielle Zielgruppen ab - wobei Kern und Kurz sich sehr ähnlich sind.

Inwiefern?

Sie verkörpern beide sehr gekonnt die Alpha-Rolle. Mit ihrer aufrechten Körper- und Kopfhaltung signalisieren sie: Wir stehen über den Dingen. Beide könnten Vorstände in einem Unternehmen sein. Kern wurde von Beratern aber die Rolle eines Herausforderers umgehängt. Auf Plakaten zeigt er aufs Volk, sagt: "Holt euch, was euch zusteht". Die Unterlider zieht er immer weit nach oben. Das wirkt zornig und angriffslustig. Kern hat aber nicht diese Körpersprache. So wie Kurz ist er der Souveräne.

Wie sehen Sie Kurz?

Kurz schwingt mit seinen Händen tendenziell Richtung Boden. Oft hat er die Hände schüsselartig vor sich. Alles, was nach unten geht, wirkt auf uns beruhigend und vermittelt Souveränität. Die Gefahr ist allerdings, dass er das überzeichnet und so jegliche Spritzigkeit und jugendliche Schnelligkeit unterdrückt.

Er könnte also zu künstlich und nicht mehr authentisch wirken?

Richtig. Er könnte sich zu sehr hemmen, weil er glaubt, er muss auf jedermann seriös wirken. Das kann dazu führen, dass er keine Leidenschaft und Euphorie mehr signalisiert. Diese leidenschaftliche Körpersprache beherrscht Strache viel besser. Sie hat ihn auch so erfolgreich gemacht. Bei seiner aufgeregten Körpersprache denken die Menschen, die selber aufgeregt sind: "Strache versteht mich". Selbst wenn er nun aber staatstragend wirken will: Die Aufregung, die er in sich drinnen hat, wird Strache nicht los. Sein Kopf pendelt immer ganz schnell zwischen links und rechts. Er hat eine sehr unruhige Kopfhaltung. Er hat nicht das Temperament für die ruhige und seriöse Körpersprache eines Alpha-Tieres.

Sollte die FPÖ im Falle einer Regierungsbeteiligung auf Politiker setzen, die eine ruhigere und seriösere Körpersprache haben? Wäre Norbert Hofer eine Alternative?

Hofer ist nicht authentisch in seiner zurückgenommenen Körpersprache. Seine Bewegungen kommen - wie auch manchmal bei Kurz - immer ein paar Millisekunden zu spät. Die schnelle Reaktion, die gerne rauskommen würde, bremst Hofer zu oft ab.

Hofer ist zu kontrolliert?

Genau. Es wird bei der FPÖ aber möglicherweise eine Personaländerung geben müssen, damit sie Glaubwürdigkeit in einer Regierung verkörpert. Auf alle Fälle darf sie nicht den Fehler machen und erwarten, dass ihre Politiker mit der "Oppositionskörpersprache" glaubwürdige Alphatiere darstellen. Denn derjenige, der an der Macht ist, wird nicht automatisch vom Volk akzeptiert. Stichwort: Donald Trump. Er ist zwar an der Macht, hat aber nicht die Körpersprache des Mächtigen. Da ist er immer noch der Oppositionelle.

Wechseln wir zu den Neos. Wie schätzen Sie Matthias Strolz ein?

Strolz hat vorerst mal einen Nachteil. Er ist bei weitem der kleinste Kandidat. In der Erscheinung wählen wir aber eher große Alpha-Tiere. Strolz ist allerdings ein Kommunikationstalent. Er hat eine große Vielfalt in seiner Körpersprache und ist dabei trotzdem glaubwürdig. Da er aber glaubt, immer noch eins draufsetzen zu müssen, steht er sich selber etwas im Weg.

Übertreibt er es ein wenig?

Ja. Er zeigt etwas an und meint, eine blumige Geste dazu machen zu müssen. Ein Beispiel: Er zeigt mit dem Zeigefinger auf das Rednerpult. Anstatt den Finger aber dort stehen zu lassen, spielt er mit ihm in der nächsten halben Sekunde schon wieder in der Luft herum. Dadurch wirkt manches etwas instabil bei ihm.

Was ist mit Peter Pilz?

Pilz ist ein Unikum. Er deckt eine Nische ab. Mit seinen langsamen Bewegungen liegt er irgendwo zwischen Helmut Schmidt und Alexander Van der Bellen. Bevor Schmidt eine Frage beantwortet hat, hat er sich eine Zigarette angezündet. Er hat so getan, als würde er lange nachdenken. Als er dann geantwortet hat, haben wir gedacht: "Boah, das ist jetzt wohlüberlegt". Bevor Pilz antwortet, legt er die Stirn in Falten. So haben wir das Gefühl, er versucht uns schlichten Menschen zu erklären, wie es wirklich ist. Das meine ich nicht despektierlich. Wir suchen Menschen, die uns mit ihrer Körpersprache vermitteln, dass sie die Sache genauer durchgedacht haben als wir.

Woher kommt so eine Körpersprache? Ist sie erlernbar?

Pilz ist einfach authentisch und wohl eher beratungsresistent. Das hat ihm auch viel Gutes gebracht. Insgesamt fehlen Politiker, die sich weniger für die Meinungen von Beratern interessieren. Die müssen zwar damit leben, dass nicht jede Geste und jedes Wort gut ankommt, aber dafür wirken sie viel authentischer. Das hat eine enorme Sogwirkung. Wenn Parteien nicht nur die angepassten Politiker nach vorne stellen, sondern Menschen, die das Volk bewegen, könnte man politisch viel visionärer sein.

Stefan Verra ist Experte für Körpersprache. Er ist Universitätsdozent und Buchautor. Am 7. März 2018 ist er mit seiner Show im Wiener "Globe" zu sehen.

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