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Von Banken und Skipisten

Von Simon Rosner

Politik

In keiner Gemeinde ist der Migrantenanteil so hoch wie in Jungholz. Das ist auf die geografische Besonderheit der Gemeinde zurückzuführen. Sie hat Jungholz zu einem Banken-Dorado gemacht.


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Wien. In Österreich wohnten mit Stichtag 1. Jänner 1,34 Millionen ausländische Staatsbürger. Gegenüber dem Vorjahr entsprach das einem Anstieg von 5,9 Prozent, wie aus Zahlen der Statistik Austria hervorgeht, die von der "Medien-Servicestelle Neue ÖsterreicherInnen" zusammengestellt wurden. Es sollte nicht überraschen, dass der größte Zuwachs auf Menschen aus Syrien und Afghanistan zurückzuführen ist, den Haupt-Herkunftsländern geflüchteter Personen, und auf Rumänien. Auf dieses Land entfällt ein knappes Viertel des Zuwachses aus der EU.

Auch die Tatsache, dass die meisten Migrantinnen und Migranten in den Städten wohnen, vor allem in Wien, Linz und Graz, ist wenig verwunderlich. Blickt man jedoch auf den Bevölkerungsanteil, sieht die Sache anders aus. Hier sind es drei kleine Gemeinden, die besonders herausstechen: Mittelberg in Vorarlberg, Kittsee im Burgenland und Jungholz in Tirol.

Kittsee profitiert in erster Linie vom Zuzug aus der Slowakei, hat innerhalb von 20 Jahren die Einwohnerzahl von etwa 1800 auf 3000 erhöhen können. Die gestiegenen Wohnkosten in Bratislava - von Kittsee nur einen Steinwurf entfernt - sind dafür maßgeblich. Mittelberg und Jungholz sind überhaupt Besonderheiten, da es sich um Exklaven handelt. Beide Gemeinden sind nur über Deutschland zu erreichen, wobei Mittelberg im Kleinwalsertal geografisch in Österreich liegt, Jungholz eigentlich in Deutschland. Die Kommune mit ihren rund 300 Einwohnern ist Teil des Allgäus und von Bayern umgeben. Der Anteil der ausländischen Einwohner liegt bei 61,3 Prozent. Sogar 85,7 Prozent der Jungholzer sind im Ausland geboren.

Asylwerber, wie in den meisten anderen Gemeinden, tragen hier aber nicht zum hohen migrantischen Anteil bei. Ginge auch gar nicht. Jeder Weg auf eine Behörde führt durch deutsches Bundesgebiet, Asylwerber dürfen jedoch das Staatsgebiet nicht verlassen. Jungholz hat daher gar keine Asylwerber aufnehmen können.

Innerhalb von zwei Jahrenschlossen zwei Banken

Wie Bürgermeisterin Karina Konrad erzählt, sind es EU-Ausländer, die in der Exklave wohnen, natürlich primär Deutsche, aber in jüngerer Vergangenheit auch häufiger Niederländer. Sie kaufen Pensionen und Gasthöfe, steigen in den örtlichen Tourismus ein. Das ist für Jungholz wichtig. Der Strukturwandel hat eine gewisse Abwanderung bedingt, einige Pensionen wurden nicht mehr weiterbetrieben. Außerdem ist ein anderer Geschäftszweig binnen zwei Jahre fast zur Gänze weggebrochen: die Banken - auch sie waren eine Besonderheit dieser Exklave.

Die Zeiten, als Jungholz die Gemeinde mit der größten Bankendichte war, sind vorbei. In den vergangenen zwei Jahren schlossen die Filialen der Volksbank und der Tiroler Sparkasse. Geblieben ist das Bankhaus Jungholz der Raiffeisenbank Reutte. Immerhin.

Seine geografische Lage und das österreichische Bankgeheimnis hat Jungholz zu einer interessanten Adresse für jene gemacht, die möglichst anonym Geld anlegen wollten. In Hochzeiten waren hier Milliarden geparkt, die offizielle Währung war die Deutsche Mark. Seit Jänner ist nun der automatische Informationsaustausch mit Deutschland in Kraft - das Banken-Dorado Jungholz ist weitgehend Geschichte.

Die Gemeinde fiel dadurch auch um einen Gutteil der Kommunalsteuer um, sie kommt heute fast ausschließlich über den Tourismus. Doch auch hier stellt sich die Frage, wie dies in Zukunft aussehen wird. Der Wintersportort Jungholz liegt auf rund 1000 Höhenmetern. "Es sind Herausforderungen, die auf uns zukommen", sagt Konrad. Die guten Jahre habe die Gemeinde aber nutzen können, die Infrastruktur sei gut, sagt die Bürgermeisterin. "Wir sind sehr gut versorgt". In der kleinen Gemeinde gibt es auch eine Volksschule, es ist eine der kleinsten Schulen des Landes. Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler im Jahr 2015/16: acht.