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Von Beruf: Krankenschwester

Von Michael Ellenbogen

Wissen

In kaum einem Beruf kommt man leidenden Menschen physisch und psychisch so nahe wie in den so genannten Pflegeberufen im Spital. Für viele Patienten ist es schwer mit ihrem Leiden und den dadurch oft veränderten Lebensumständen fertig zu werden. Die Angehörigen sind nur kurze Zeit anwesend, KrankenpflegerInnen kümmern sich rund um die Uhr um die Anliegen und Nöte ihrer Schützlinge. Derzeit scheint der Ruf dieser Berufsgruppe, bedingt durch die Vorfälle in zwei Wiener Krankenanstalten, ins Zwielicht geraten zu sein.


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Ein blaues Paar Augen blickt aus einem schmalen, faltigen Gesicht auf die Krankenschwester, die sich gerade zum Bett der alten Dame gesetzt hat. Einige Sekunden blicken sich die beiden Menschen verschiedener Generationen wortlos an, langsam streckt die betagte Patientin ihre knöchrige Hand der Schwester entgegen, ein Lächeln zeugt vom Vertrauensverhältnis dieser Frauen zueinander. Die Mittagszeit rückt näher und die bettlägrige Seniorin deutet der jungen Dame näher zu kommen. Sie flüstert ihr etwas ins Ohr, die Krankenschwester nickt kurz und steht auf. "Selbstverständlich bringe ich Ihnen Ihr Joghurt und ein Löfferl," verkündet die Krankenpflegerin und macht sich auf den Weg zur Küche . . .

Zwiespältiges Verhältnis

Das Verhältnis zwischen der Patientin und der Absolventin einer Krankenpflegeschule ist ein Gutes. Doch nicht immer funktioniert die zwischenmenschliche Kontakt zwischen den beiden Gruppen so reibungslos. Kranke, alte oder behinderte Menschen meinen im Krankenpfleger oft einen persönlichen Betreuer gefunden zu haben, der rund um die Uhr alles für sie zu tun hat, ohne dabei auf den Umstand Rücksicht zu nehmen, dass ja auch noch andere Patienten gibt.

Andererseits kann es im Krankenhausbetrieb auch unkorrekte Verhaltensweisen des Pflegepersonals gegenüber den Kranken und Pflegebedürftigen oder deren Angehörigen geben, die oft jeder Berechtigung entbehren. In vielen Fällen liegt es an Missverständnissen aber auch an Unwissenheit seitens der Spitalspatienten und deren Verwandten und Freunden, welche Aufgaben die Krankenpfleger zu erfüllen haben.

"Wir sind ein moderner Dienstleistungsbetrieb und verpflichten uns in unserem Beruf, die Patienten bei den Aktivitäten des täglichen Lebens zu unterstützen, die sie auf Grund ihres Alters, ihrer Behinderung oder Krankheit nicht mehr selber durchführen können", meint die ranghöchste Krankenschwester Wiens, Generaloberin Charlotte Staudinger.

Dieser Sozialberuf ist bei vielen Zeitgenossen auch mit Klischees behaftet, die dann oftmals im Umgang mit der Berufsgruppe, vor allem in Situationen, in denen man Unmut beziehungsweise Unzufriedenheit mit der Pflege manifestieren will, ins Spiel gebracht werden. "Wir haben vor einigen Jahren eine Befragung durchgeführt mit dem Ziel, zu erfahren, wie sich die Berufsgruppe selbst sieht und wie sie von der Bevölkerung gesehen wird." Dabei kamen Antworten von Bürgern in Verbindung mit der Tätigkeit des Pflegepersonals wie: "Helfende Hände", "Dienen und Gehorchen", "Selbstaufopferung", berichtet Charlotte Staudinger.

Berufsbild in der Krise

Mit diesen längst obsoleten Begriffen kämpft die Gesundheits- und Krankenpflege heute noch. Zu diesem Image tragen auch Fernsehserien bei, in denen die Krankenschwestern den Patienten, vor allem wenn es gut aussehende Männer sind, besonders jedoch den Ärzten, jeden Wunsch von den Augen ablesen. "Diese Darstellungen erschweren es, das Berufsbild der modernen Pflege so zu transportieren, dass auch Außenstehende eine Vorstellung davon haben, mit wie viel Verantwortung diese Tätigkeit verbunden ist", analysiert Staudinger die Sichtweise vieler Menschen.

Genauer Tagesablauf

Der Pflegeberuf ist geprägt durch einen genauen Tagesablauf, der bis zu 12 Sunden dauern kann. In der Regel beginnt der Arbeitstag einer Krankenschwester um 7 Uhr früh, wenn sie den Dienst der Nachtschwester, der am Vortag um 19 Uhr begonnen hat, übernimmt. "Nach der Dienstübergabe besprechen wir was in der vorangegangen Nacht vorgefallen ist, ob es Probleme mit Patienten gegeben hat oder ob Neuaufnahmen erfolgt sind", schildert Monika Ettl, Stationsschwester im Sozialmedizinischen Zentrum Floridsdorf den Beginn eines Arbeitstages.

In der Folge werden die Infusionen und Medikamente für die Patienten vorbereitet bzw. verteilt, bis sie dann um 8 Uhr das Frühstück serviert bekommen. Später, um etwa 9 Uhr, wird mit der Körperpflege begonnen. Die Kranken werden gewaschen, wenn nötig auch im Bett. Danach werden vor allem ältere Damen und Herren "mobilisiert", zum Teil durch das Pflegepersonal oder auch mit Unterstützung durch die Physiotherapeuten.

"Die Visite erfolgt zwischen 10 und 10.30 Uhr, je nach dem wann der Oberarzt auf die Station kommt. Danach beginnen schon die Vorbereitungen für das Mittagessen. Besonders jene Patienten, denen im Bett bei der Nahrungsaufnahme geholfen wird, müssen richtig gelagert werden", beschreibt Monika Ettl jene Handgriffe, die den Mitmenschen auch im Spital ihre Lebensqualität sichern. Wenn die Kranken am Vormittag bestimmte Therapien verabreicht bekommen haben, sind sie nach dem Mittagessen meistens müde und wollen sich ausruhen und schlafen.

Rund um die Uhr

Zu dieser Zeit ist das Pflegepersonal damit beschäftigt alle Tätigkeiten, die an den erkrankten Person vorgenommen wurden, in die Patientendokumentation einzutragen. Gegen 15 Uhr werden die älteren Patienten neu gelagert, Anliegen und Wünsche werden soweit wie möglich erfüllt, ebenso wie besondere Situationen zu meistern sind. Wenn betagte Menschen ihre Notdurft ins Bett verrichtet haben, werden natürlich auch sofort die Betten gereinigt und frisch überzogen.

Jeder Patient hat über seinem Bett eine Glocke, die er per Knopfdruck betätigen kann. Im Schwesternzimmer wird dies registriert. Die Dienst habenden Krankenschwestern wissen dann welcher Patient sich in welchem Zimmer gemeldet hat und schauen nach, wie geholfen werden kann. Im Ablauf des Nachmittags wird gegen 17.30 Uhr den Patienten das Abendessen gebracht. Danach werden Verbände gewechselt und immer wieder auch Patienten neu gelagert. Der Tagdienst endet um 19 Uhr und bei der Dienstübergabe an den Nachtdienst werden alle Vorkommnisse des Tages besprochen. In dieser Form läuft annähernd der Krankenhausalltag ab.

Wenn die Volksseele kocht

So lange das Pflegepersonal seinen Dienst an den Patienten ohne Unregelmäßigkeiten und negative Vorkommnisse versieht, gibt es keinen Grund diese Berufsgruppe an den Pranger zu stellen. Doch immer dann, wenn Versäumnisse und Fehler offenkundig werden, wie immer es auch dazu kam, mobilisiert dies den Volkszorn, der auch vor Krankenanstalten nicht Halt macht, in denen es keine Probleme gegeben hat. "Den Unmut der Patienten und deren Angehörigen bekommt vorrangig das Pflegepersonal ab. Wir werden geschult in jeder Situation höflich und kompetent zu sein, gegenwärtig vermissen wir dies uns gegenüber so sehr", berichtet Gabriele Müllebner, Pflegedirektorin des SMZ Floridsdorf.

"Schmerzhaft ist der Umstand, dass alle Mitarbeiter des Pflegedienstes pauschal verurteilt werden. Niemand bestreitet, dass auch Fehler passieren, die korrigiert werden müssen. Wir sind selber daran interessiert, nichts falsch zu machen und damit auch ein gutes Image in der Öffentlichkeit zu haben", bekräftigt Gabriele Mühlebner die Bemühungen, den Imageschaden zu reparieren.

Die Realität sieht jedoch zurzeit etwas anders aus: "Viele junge Kolleginnen trauen sich gar nicht zu sagen, dass sie von Beruf Krankenschwester sind, oft werden sie daraufhin beschimpft und sogar in ihrem privaten Umfeld diskriminiert. Manche Angehörige warten beim Portier auf uns, nur um uns zu beleidigen", wartet Stationsschwester Monika Ettl mit einigen Vorkommnissen vor dem SMZ Floridsdorf in den letzten Wochen auf.

Die gefährlichsten Urteile sind Pauschalurteile, vor allem wenn es Unschuldige trifft. Vielleicht ist die Öffentlichkeit auch aufgerufen darüber nachzudenken, was KrankenpflegerInnen täglich wirklich leisten.