Hitzige Rededuelle bot die gestrige Sondersitzung des Nationalrats über Pro und Contra einer Vorziehung der Steuerreform. Schon am Vormittag stellten Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Vizekanzler Herbert Haupt klar, dass am im Regierungsprogramm festgelegten Fahrplan festgehalten wird, der für 2004 einen ersten, kleineren und 2005 einen zweiten, größeren Schritt der Steuerreform vorsieht. In den letzten Tagen und Wochen hatte die FPÖ - im Einklang mit der Opposition - ein Vorziehen der großen Steuerreform auf 2004 gefordert. Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider kritisierte die "Nein-Sager-Position" der ÖVP.
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Tagelang war von Medien und Beobachtern gerätselt worden, wie eine Kompromissformel zu einem Vorziehen der großen Steuerreform zwischen ÖVP und FPÖ ausschauen könnte. Wenige Stunden vor dem parlamentarischen Klingenkreuzen stand dann fest: Die beiden Regierungsfraktionen werden auf die Entschließungsanträge nicht mit einem eigenen Antrag reagieren, verkündeten Bundeskanzler Schüssel und Vizekanzler Haupt beim Pressefoyer nach dem gestrigen Ministerrat. Es bleibt beim im Regierungsübereinkommen fixierten Fahrplan. "Viele gute Gründe" sprächen laut Schüssel für ein wohl durchdachtes Gesamtkonzept, wie es darin zum Ausdruck komme.
Schüssel: Regierung setzt konjunkturpolitische Impulse
Das Argument, dass die Konjunktur ein Vorziehen notwendig mache, konterte Schüssel mit dem Hinweis auf die konjunkturpolitischen Impulse der Regierung: Im vergangenen Jahr sei mit der Hochwasserhilfe im Ausmaß von 1,75 Mrd. Euro bereits ein erster Entlastungsschritt gesetzt worden; ein zweiter erfolge mit den Konjunkturpaketen und dem ersten Schritt der Steuerreform ab 2004, die eine Nettoentlastung von insgesamt 1 Mrd. Euro bringe. Der dritte Schritt bilde die große Strukturreform ab 2005.
FPÖ: Mit dem Partner, nicht mit der Opposition
Haupt, beim Pressefoyer neben dem Kanzler, bestätigte diese Linie. Allfällige weitere Schritte in Sachen Steuerreform wolle man "mit dem Koalitionspartner und nicht mit der Opposition diskutieren". Ungeachtet dessen habe die FPÖ eine Steuerreform erreicht, der die Opposition ihre Zustimmung verweigert habe, argumentierte Haupt. An diese Linie hielt sich die FPÖ dann auch am Nachmittag im Parlament.
SPÖ lockt FPÖ vergeblich - van der Bellen spottet
Damit war auch klar, dass die FPÖ der Versuchung widerstehen würde, in der Frage einer Vorziehung der Steuerreform mit der Opposition zu stimmen. In einem Entschließungsantrag forderte die SPÖ eben dies. Zuvor kritisierte sie im Rahmen einer Dringlichen Anfrage die Budgetpolitik von Finanzminister Karl-Heinz Grasser, die u.a. für die "höchste Arbeitslosigkeit, die je in der 2. Republik im Juli zu verzeichnen war", das Zurückfallen Österreichs gegenüber der EU bei verschiedenen Wirtschaftsindikatoren und die Abfangjäger-Beschaffung verantwortlich sei. Grasser selbst wies die Angriffe zurück: "Ich weiß nicht, von welchem Land Sie sprechen. Österreich ist es nicht und diese wirtschaftliche Situation gibt es nicht."
Damit wollte sich jedoch der grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen nicht zufrieden geben: "Wenn man Sie gehört hat, fragt man sich, warum wir heute hier sitzen." Man müsse den Eindruck haben, "dass eh alles leiwand ist". Inhaltlich empfahl er der Regierung, die Konjunkturprognosen der Wirtschaftsforscher zu lesen. Ein Aufschwung sei nämlich weit und breit nicht in Sicht.
Grüne kritisieren SP-Annäherung an FPÖ
Kritik hatte Van der Bellen aber auch für den Oppositionspartner SPÖ übrig. Es stehe ihm zwar nicht zu, "das politische Gegackere" der SPÖ und ihres Vorsitzenden im Hinblick auf eine allfällige Annäherung an die FPÖ zu beurteilen, aber: Dass mit Jörg Haider kein Staat zu machen sei, habe man schon vorher wissen können.
Pointierte Debatten im klimatisierten Parlament
Obwohl die Geschlossenheit der Regierungsfraktionen längst abzusehen war, bemühten sich die Redner doch, die Debatte im klimatisierten Parlament hitzig zu halten. In einer zugespitzten Rede warf SP-Klubchef Josef Cap der Regierung vor, ihr Verhalten gemahne an das Verhalten von Lemmingen. Und in Richtung Grasser meinte Cap: "Wenn alles so super war, warum streitet die Regierung dann wochenlang über die Steuerreform?" Caps VP-Pendant Wilhelm Molterer konterte, indem er der Politik der SPÖ eine gewisse Neigung zu Bocksprüngen attestierte. Auch Sozialdemokraten und Freiheitliche schenkten sich in ihren Debattenbeiträgen nichts: Man brauche die Belehrungen der SPÖ nicht, tönte Klubchef Herbert Scheibner.
Haider spekuliert mit Volksabstimmung
Wenig erfreut über diese Entwicklung zeigte man sich in der Kärntner FPÖ, die im kommenden Frühjahr Landtagswahlen zu bestehen hat. Der Kärntner Landeshauptmann kritisierte die Haltung der Volkspartei als "Nein-Sager-Position".
Haider will in Sachen Steuerreform weiter Druck auf die ÖVP machen: "Wer eine Steuerreform 2005 haben will, der muss ein Vorziehen von Teilen der Reform auf 2004 möglich machen". Sollte die VP dies weiter ablehnen, will Haider auch eine Volksbefragung nicht ausschließen.