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Was Schreibtische über ihre Besitzer verraten.
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Wien. Nun ist sie wieder da, die Zeit der guten Vorsätze. Neben Schlankheit und Abstinenz hat für viele Menschen vor allem ein Wunsch Priorität: "Ich will ab sofort einen aufgeräumten Schreibtisch haben." Doch was bewirkt eine ordentliche Arbeitsfläche tatsächlich? Und was verrät der Zustand eines Büromöbels über unsere Persönlichkeit? Diese Fragen beschäftigen die Wissenschaft weltweit.
Ordnung und Chaos
Eine der jüngsten Untersuchungen widmete sich dem Einfluss die Arbeitsumgebung auf unser Verhalten. Dazu platzierten Psychologen der Universität von Minnesota einen Teil der Studienteilnehmer in ein ordentliches Büro mit sauberem Schreibtisch, den Rest in einen unordentlichen Raum, wo sich Papiere und Ordner stapelten. Tatsächlich verhielten sich die Probanden je nach Arbeitsumgebung höchst unterschiedlich. So ließen die Teilnehmer aus dem ordentlichen Büro, als sie um eine Spende gebeten wurden, drei Mal so viel springen wie jene aus dem Messie-Büro. Und als die Testpersonen zwischen einem Apfel und einem Schokoriegel wählen durften, griffen 67 Prozent der Probanden aus dem ordentlichen Büro zum Obst, während sich die Chaos-Gruppe zu 80 Prozent für die Süßigkeit entschied. "Menschen in einer ordentlichen Umgebung treffen offenbar gesündere Entscheidungen, und sie verhalten sich gemeinnütziger, großzügiger und gewissenhafter", lautet die Schlussfolgerung der Studienautoren. Aber: Eine chaotische Umgebung kann auch von Vorteil sein. Als die Gruppen gebeten wurden, neue Nutzungsmöglichkeiten für Tischtennisbälle zu entwickeln, hatte die Chaos-Truppe die weitaus kreativeren Ideen.
Verräterisches Möbel
Für den Psychologen Sam Gosling von der University of Texas in Austin ist der Schreibtisch vor allem eines - ein höchst verräterisches Möbelstück. Gewissenhaftigkeit und Sinn für Ordnung lassen sich laut seinen Studien nicht vortäuschen. "Menschen mit aufgeräumtem Büro sind auch innerlich aufgeräumt", so Gosling. "Chaotisch veranlagte Typen können sich noch so sehr bemühen, und trotzdem gelingt es ihnen meist nicht, ihre inneren Organisationsprobleme zu verbergen." Doch Vorsicht: Eine extrem leer geräumte Tischoberfläche signalisiert Distanz, ja sogar Unzufriedenheit mit dem Job. Ein zwar aufgeräumter, aber von allerlei Sachen belebter Tisch sagt hingegen: "Hier gehöre ich hin." Und wer seinen Schreibtisch mit Post-its voll pflastert, signalisiert nur eines: "Hilfe, ich bin überfordert!"
2011 untersuchten die deutschen Designer Uta Brandes und Michael Erlhoff in ihrer Studie "My Desk is my Castle" 700 Schreibtische auf fünf Kontinenten. Eine zentrale Erkenntnis des globalen Forschungsprojektes: Auf jedem Desk zwischen New York und Neuseeland fanden sich im Schnitt mehr als ein Dutzend private Objekte. "Gerade in unserer schnelllebigen Arbeitswelt suchen wir die Möglichkeit, auch im Büro die eigene Individualität auszuleben und unser Territorium zu markieren", erklären die Designer das Phänomen.
Latente Chaoten
Übrigens: Während Frauen ihren Arbeitsplatz gern dekorieren, bevorzugt in Pastell samt Plüschtieren, müllen Männer ihn häufig zu, indem sie ihr Revier mit Sportfotos, martialisch aussehenden Plastikmännchen und Spielzeugautos markieren.
Die Studie belegt aber auch: Zugemüllte Schreibtische gibt es überall auf der Welt. Selbst die angeblich so ordentlichen Deutschen sind da keine Ausnahme. Eine Untersuchung der Büromarktkette Staples belegt, dass zwar in 70 Prozent der deutschen Büros besonders viel Wert auf Sauberkeit und Ordnung gelegt wird, gleichzeitig aber die Hälfte aller Befragten zugibt, an diesem Ziel zu scheitern. Fast ein Viertel bezeichnet sich sogar als latente Chaoten. Trotzdem gilt Ordnung am eigenen Arbeitsplatz für mehr als zwei Drittel der Deutschen als einer der wichtigsten Faktoren, um produktiv arbeiten zu können. Und so achten immerhin 68 Prozent der Frauen bewusst darauf, dass ihr Schreibtisch stets sauber und aufgeräumt ist, während bei den Männern nur jeder Zweite sein Desk konsequent zur Ordnung ruft.
Alles kein Grund zur Verzweiflung. Wer am täglichen Chaos zu scheitern droht, kann es immer noch mit einer Feng-Shui-Regel versuchen: "Räumen Sie am Abend die Mitte Ihres Schreibtischs frei und markieren Sie diese mit einem persönlichen Symbol." Na dann: Papier zur Seite schieben, Kaffeehäferl in die Mitte - und schon fließt das Chi!