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Von den Landeshauptleuten lernen

Von Paul Mychalewicz

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Wie man beim Rückzug eine geordnete Nachfolge schafft, zeigen die meisten Länderchefs seit 1945 vor.


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Vielfach wurde in den vergangenen Monaten diskutiert, warum Angela Merkel keine geordnete Amtsübergabe im Kanzleramt oder zumindest in der eigenen Partei noch vor der Bundestagswahl - aus der letztlich SPD-Kandidat Olaf Scholz als neuer Kanzler hervorgegangen ist - schaffte. Letztlich machte sie den Fehler vieler bedeutender Persönlichkeiten, nicht für eine geeignete Nachfolge zu sorgen. Überdies demontierte sie faktisch Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Vorsitzende und unterstützte Armin Laschet als Kanzlerkandidaten nur halbherzig. Eine besondere Ironie der Geschichte lieferte dann Friedrich Merz: Vor rund 20 Jahren von Merkel aus dem Amt des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden gedrängt, wird er jetzt ihr dritter Nachfolger als CDU-Parteivorsitzender.

In der öffentlichen Wahrnehmung untergegangen ist aber die Tatsache, dass keinem einzigen deutschen Bundeskanzler vor Merkel eine friktionsfreie Amtsübergabe gelang. Dazu ein Blick in die Geschichte: Es hat in Deutschland seit der Gründung der Bundesrepublik 1949 Wechsel an der Regierungsspitze sowohl nach Wahlen als auch innerhalb einer Legislaturperiode gegeben. Keine einzige Nachfolge war aber nach dem Wunsch des Abtretenden. Der erste Amtsinhaber, Konrad Adenauer, ging 1963 nach 14 Jahren nicht freiwillig ab, sondern es war dies eine Bedingung des Koalitionspartners FDP.

Sein Nachfolger, der Wirtschaftsfachmann Ludwig Erhard, den der Langzeit-Kanzler nicht verhindern konnte, wäre gerne mehr als drei Jahre geblieben, doch seine Partei, die CDU, wollte mit Kurt-Georg Kiesinger eine große Koalition mit der SPD eingehen. Auch für diesen war es nach drei Jahren vorbei, weil er bei den Wahlen zwar Erster blieb, aber die FDP in einer Koalition mit der SPD Willy Brandt zum Kanzler machte. Dieser sah sich 1974 nach einer Spionageaffäre genötigt, als Regierungschef abzutreten, blieb aber Parteivorsitzender. Helmut Schmidt übernahm fliegend, was aber sicher nicht das gewünschte Szenario seines Vorgängers war. Der Hamburger verlor 1982 seinerseits sein Amt, weil die FDP wieder einmal die Seiten wechselte und CDU-Chef Helmut Kohl mit einem konstruktiven Misstrauensvotum zur Kanzlerschaft verhalf. Letzterer erkannte 1998 nicht die Zeichen der Zeit und ging sehenden Auges in eine Wahlniederlage gegen das rot-grüne Bündnis unter Gerhard Schröder. Dieser wurde 2005 knapp Zweiter hinter Merkel.

Auch bei den österreichischen Bundeskanzlern ging die Nachfolge nicht immer glatt vor sich. So wurden etwa Julius Raab (1961) und sein Nachfolger Alfons Gorbach (1964) von der eigenen Partei, der ÖVP, eher aus dem Amt gedrängt, als dass sie dieses freudig übergaben. Noch viel ruppiger ging die SPÖ mit Alfred Gusenbauer (2008) und erst recht danach mit dessen Nachfolger Werner Faymann (2016) um: Die Pfiffe der eigenen Funktionäre am Rathausplatz am 1. Mai sind sicher noch allgemein in Erinnerung. Am besten gelang es wohl Franz Vranitzky (SPÖ), der sich 1997 sowohl den Zeitpunkt als auch den Nachfolger - Viktor Klima - aussuchen konnte.

Hofübergabe zur rechten Zeit

Viel besser klappte die Hofübergabe zumeist auf Bundesländerebene. Auf Dauer verloren ging nur die Vormacht im Burgenland, als 1964 der Amtsinhaber Josef Lentsch (ÖVP), gesundheitlich schwer angeschlagen, gegen die SPÖ unter Hans Bögl um ein Mandat verlor. In Salzburg und der Steiermark konnte die ÖVP den Landeshauptmannsessel jeweils nach zwei Perioden unter etwas glücklichen Umständen wieder zurückgewinnen. Die SPÖ bekam ihrerseits 2013 in Kärnten das Amt des Landeshauptmanns nach 24 Jahren wieder zurück.

In allen anderen Bundesländern schaffte es seit 1945 die jeweils dominierende Partei, ihre Vormachtstellung zu behalten. Auch, weil die Amtsinhaber in aller Regel den Hof zur rechten Zeit übergaben. Sie warteten meist nicht bis zur nächsten Wahl, um dann die Rechnung präsentiert zu bekommen. Vielmehr traten sie mitten in der Legislaturperiode ab und bekamen dabei fast immer ihren Wunschnachfolger. Ein Musterbeispiel dafür ist Erwin Pröll (ÖVP), der in Niederösterreich 2017 nach rund einem Vierteljahrhundert für Johanna Mikl-Leitner Platz machte. Nun konnte er, medial ausgiebig begleitet, in aller Ruhe seinen 75. Geburtstag feiern.

Auch im ÖVP-geführten Oberösterreich (2017 von Josef Pühringer an Thomas Stelzer) und im SPÖ-geführten Burgenland (2019 von Hans Niessl an Hans Peter Doskozil) fanden die jüngsten Hofübergaben zeitlich weit genug von der nächsten Landtagswahl entfernt statt. Diese hat Doskozil allerdings taktisch klug einige Monate vorgezogen. Die Nachfolge in Wien war 2018 zwar wohl gut getimt, allerdings bekam Michael Häupl den von ihm nicht gewünschten Michael Ludwig als Nachfolger. Dieser setzte sich am SPÖ-Landesparteitag gegen Andreas Schieder durch, der Abstimmung war ein monatelanger innerparteilicher Wahlkampf vorausgegangen, der auch breiten medialen Niederschlag fand.

Für die SPÖ war diese Entscheidung jedoch letztlich günstig, denn die nächste Gemeinderatswahl wurde erfolgreich geschlagen. Aber auch danach gab Häupl Ludwig über den ORF den unverblümt vorgetragenen Ratschlag, die Koalition mit den Grünen fortzusetzen und sich nicht mit den Neos einzulassen. Sein Nachfolger ließ sich aber nicht beirren und sitzt nunmehr fest im Sattel. Tatsächlich erscheint er sogar als heimlicher SPÖ-Bundesparteivorsitzender.

Solche Vorgänge sind in der Steiermark nicht zu erwarten. Hier sei die Prognose gewagt, dass Hermann Schützenhöfer (ÖVP) im kommenden Jahr seine Nachfolge reibungslos über die Bühne bringen wird.•