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Von der Angst und der Gier

Von René Freund

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Anspruchsvoll wie immer und allgemein verständlich wie selten das "Salzburger Nachtstudio" auf Ö1 am Mittwochabend: Diesmal war es dem Begründer der personenzentrierten Psychotherapie gewidmet, dem amerikanischen Therapeuten Carl Rogers. In Rogers Weltbild ist der Therapeut eine Art Freund des Klienten. Als geschulter Gesprächspartner kann er diesem helfen, mit seinen Problemen fertig zu werden - oder sie überhaupt zu erkennen.

Von den vielen Psychomethoden, die es mittlerweile gibt, ist die Gesprächstherapie nach Rogers für mich eine der sympathischsten, weil sie so normal ist. Das hat dieses "Salzburger Nachtstudio" eindrucksvoll bestätigt. Und es hat - jedenfalls in mir - die Frage aufgeworfen, warum so viele Menschen heute Psychotherapeuten aufsuchen. Vielleicht liegt es daran, dass wir immer weniger Freunde haben, die einem als echte Gesprächspartner dienen - und für die man umgekehrt ebenso zur Verfügung steht. Wir haben Angst, unsere Ängste zu zeigen, und sind zu schwach, uns zu unseren Schwächen zu bekennen. Dann wird eben geblödelt, über gutes Essen oder die geniale Geschäftsidee geredet.

Womit wir beim Ö1-"Radiokolleg" wären, das diese Woche dem Thema "Gier" gewidmet war. Eine durchwegs gelungene Sendereihe, die u. a. ein Interview mit einem Börsenspekulanten brachte, der viel gewann und fast alles verlor. Im Gegensatz zu denen, die nie etwas hatten, war er um eine Erkenntnis reicher, die Horaz freilich schon vor 2.000 Jahren auf den Punkt gebracht hatte: "Doch Sorge folgt und nimmersatte Gier / Dem wachsenden Gewinn."