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Von der Baum- zur Bankpatenschaft und zurück

Von Holger Blisse

Gastkommentare
Holger Blisse ist Wirtschafts- und Sozialwissenschafter und unter anderem auf kreditwirtschaftliche, genossenschaftliche und sozial-politische Themen spezialisiert.

Arten- und Vermögensschutz einmal anders.


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Vor einiger Zeit habe ich die Patenschaft für einen Baum verschenkt. Der Baum wächst in einem tropischen Regenwald Lateinamerikas. Ich habe kein Foto von ihm, ich werde ihn wohl nie sehen. Aber es gibt ihn. Eines Tages wird er geerntet werden. Dann erhält die Beschenkte Geld aus dem Verkaufserlös. Ich hoffe, dass sie eine neue Baumpatenschaft erwerben oder verschenken wird. Denn auch wenn der Baum nicht weiterlebt - der Wald lebt weiter, wenn er gepflegt wird. Dafür bezahle ich im Voraus und aus dem Ernteerlös die Pflege. Natürlich besteht das Risiko, ob der Wald bis zur Ernte des Baumes gepflegt werden wird. Schließlich können es Jahrzehnte sein. Ich vertraue darauf.

Kürzlich wollte ich in meine Bankfiliale gehen. Dort ist ein Küchengeschäft eingezogen. Es hatte vorher einen weniger günstig gelegenen Standort. Meine Bankfiliale ist umgezogen. Sie ist immer noch erreichbar, aber weiter entfernt. Dafür ist sie größer, weil dort nun die Mitarbeiter aus mehreren anderen Filialen arbeiten. Ihre Standorte sind aufgelassen und hier zusammengefasst worden. Es ist eine schön gestaltete Filiale, nicht nur für Bankgeschäfte, sondern für mehr. Fast wie ein Begegnungszentrum, wo man auch hinginge, wenn es dort eine Ausstellung oder einen Vortrag gäbe, zu Fragen der Geldanlage, aber auch zu anderen Themen.

Natürlich habe ich Online-Banking. Das ist praktisch. Bankgeschäfte über das Handy? Das geht mir zu schnell, das ist zu flüchtig. Ich habe das Gefühl, das Geld geht auf dem Überweisungsweg verloren. Aber das hängt mit meinem Alter zusammen, ich bin nicht mit dem Smartphone auf die Welt gekommen. Eines Tages werde ich auch Bankgeschäfte am Handy tätigen. Doch ich werde auch weiterhin in die Bankfiliale gehen. Dort gibt es kompetente Mitarbeiter. Finanzgeschäfte sind kompliziert geworden, ich lasse sie mir bedarfsweise erklären. Die Menschen nehmen sich Zeit für mich.

In der Stadt haben die virtuellen Begegnungen zugenommen. Warum soll ich alles über das Internet bestellen und mir nach Hause liefern lassen? Ich gehe gern in eine Buchhandlung, ein Restaurant oder ein Schuhgeschäft und lasse mich beraten. Auf dem Land ist es noch schwieriger mit den Einkaufsmöglichkeiten vor Ort. Aber ich denke an viele Landgemeinden. Dort bildet die Bank- oder Sparkassenfiliale, nicht selten ist es sogar die Hauptstelle, einen Ankerpunkt, um den herum sich eine (Versorgungs-)Infrastruktur erhalten hat. Schließt dort die Bankfiliale und bleibt nur noch ein Automatenstandort zurück, so hat es auch die oft sehr aktive Hotellerie und Gastronomie schwerer. Darum habe ich überlegt, auch eine Bankpatenschaft zu übernehmen.

Doch dann fiel mir ein, dass ich schon Bankpate bin. Denn ich bin Mitglied in einer Kreditgenossenschaft auf dem Land und auch in der Stadt. Mit meiner Bank auf dem Land bin ich zufrieden, sie kämpft um ihren Fortbestand, aber sie wird es schaffen, weil das Management nicht den Ertrag für die Bank auf meine Kosten maximiert. In der Stadt bin ich mir da nicht mehr sicher. Kürzlich sagte mir jemand ganz direkt, es ginge ihm zuallererst um den Ertrag.

Vielleicht wird diese Bank eines Tages an die Börse gehen. Dann bekommen die Vorstandsmitglieder Aktienoptionen, und meine Genossenschaftsanteile sind dann Aktien und steigen und fallen im Kurs. Dafür muss ich höhere Gebühren und noch weitere Wege in Kauf nehmen. Ich wünsche mir, dass diese Kreditgenossenschaft sich zurückerinnert: "Banking is people." Und darum: "Banks are necessary."

Meine Bank auf dem Land hat kürzlich eine Wohnanlage finanziert, die Vorgärten gestaltet und auch mehrere Bäume gepflanzt.