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Von der Beteiligung hängt alles ab

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

In Polen ist Wahlruhe eingetreten. Die Kampagnen für oder gegen einen EU-Beitritt müssen nun beendet sein. Denn am Samstag und Sonntag stimmt das größte designierte Mitgliedsland über seinen Beitritt zur Europäischen Union ab. Über die Wahlbeteiligung darf dennoch - dank einer Änderung des Volksabstimmungsgesetzes - bereits am ersten Abstimmungstag berichtet werden. Eine derartige Mobilisierung könnte auch notwendig werden: Die Mindestbeteiligung von 50 Prozent bereitet den BeitrittsbefürworterInnen Sorgen.


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Es wäre schön gewesen. Dürfte sich Polens Ministerpräsident Leszek Miller vergangene Woche etwas wünschen, hätte er unter anderem einen Appell von US-Präsident George Bush gewollt. Es wäre schön, wenn Bush bei seinem Polen-Besuch zu einem Ja beim EU-Referendum aufrufen würde, meinte Miller lächelnd. Nicht minder wichtig war aber die Betonung der "transatlantischen Partnerschaft", die im Mittelpunkt der Gespräche stand: Immerhin gilt Polen als "besonderer Freund" der USA.

Auch wenn in einigen EU-Staaten bereits Ängste vor einem US-Interessen vertretenden polnisch-trojanischen Pferd in der Union formuliert wurden - an Unterstützung für die polnische Regierung während der EU-Kampagne hat es nicht gemangelt. Die Ministerpräsidenten Großbritanniens Schwedens und Dänemarks, Tony Blair, Göran Persson und Anders Fogh Rasmussen, die irische Präsidentin Mary McAleese, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel: Sie alle leisteten beim Werbefeldzug Millers und des polnischen Staatspräsidenten Aleksander Kwasniewski ihren Beitrag. Und auch der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder betonte: "Europa braucht Polen auch". Womit er der Tageszeitung "Rzeczpospolita" den Aufmacher auf der Titelseite lieferte.

Ihre positive Haltung zum Beitritt hielten die meisten Zeitungen auch in den Wochen und Monaten zuvor kaum verborgen. Mit einem schlichten "Ja" übertitelt die angesehene Wochenzeitschrift "Polityka" ein Kommentar ihres Chefredakteurs: In ihrer letzten Ausgabe vor dem Referendum ruft sie offen zur Zustimmung zum EU-Beitritt auf. Und die Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" lässt sich auf humorvolle Spekulationen ein. In einer "Sonderbeilage" zeigt sie, wie die Berichterstattung in sechs Jahren aussehen könnte, wenn Polen nicht der EU beitritt. Demnach würde dem selbst ernannten Bauernführer Andrzej Lepper, in der Zwischenzeit zum Ministerpräsidenten aufgestiegen, bei seinem Besuch in Albanien eine Abfuhr erteilt. Tirana könne sich nicht vorstellen, die EU-Beitrittsverhandlungen gemeinsam mit Polen zu führen.

So weit wird es allerdings kaum kommen. Wenn am Samstag und Sonntag rund 29,5 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen sind, über einen EU-Beitritt ihres Landes zu entscheiden, wird wohl die Mehrheit dafür stimmen. Nach jüngsten Umfragen wollen über 64 Prozent sicher am Referendum teilnehmen, und bis zu 80 Prozent sich für die Mitgliedschaft in der Union aussprechen.

Doch es ist die Teilnahme, die den BeitrittsbefürworterInnen mehr Sorgen bereitet. Denn erst wenn die Mindestbeteiligung von 50 Prozent erreicht wird, ist das Ergebnis des Referendums bindend. Bei der Parlamentswahl im Jahr 2001 lag die Wahlfrequenz unter der 50-Prozent-Marke.

Um ihre AnhängerInnen zu mobilisieren, haben BeitrittsbefürworterInnen ebenso wie -gegnerInnen Kosten und Mühe nicht gescheut. So hat allein der regierende Bund der Demokratischen Linken (SLD) schätzungsweise über 400.000 Euro ausgegeben. Fast ebenso viel wendete die konservative oppositionelle Liga der Polnischen Familien für ihre Gegenkampagne auf. Wie andere EU-skeptische Gruppen hatte sie vor Werteverlust, Abschaffung der Souveränität oder Ausverkauf polnischen Bodens an deutsche Gutsherren gewarnt.

Auf dem Weg zum EU-Referendum waren einige rechtliche Hürden zu nehmen. So wurde die Abhaltung der Abstimmung an zwei Tagen erst nach einer Gesetzesänderung möglich. Und auch über den "Plan B" mussten Gerichte entscheiden: Sollte das Referendum an der geringen Wahlbeteiligung scheitern, kann das polnische Parlament einen EU-Beitritt mit Zwei-Drittel-Mehrheit der Stimmen beschließen. Ob sich allerdings genügend Abgeordnete dafür finden, ist eine andere Frage. Es könnte knapp werden.