Für Kinder von Nicht-Akademikern ist die Uni eine fremde Welt.
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Wien. "Studieren willst du? Wie stellst du dir das vor? Wer soll das bezahlen? Glaubst du, du bist dann etwas Besseres?" Nicht immer zeigen Eltern Begeisterung, wenn ihre Kinder nach der Matura an die Uni wollen, speziell dann nicht, wenn sie selber nie einen Hörsaal von innen gesehen haben und sich nicht dazu in der Lage sehen, den bildungshungrigen Nachwuchs bei Studienwahl, Inskription und Finanzierung des Studentenlebens zu unterstützen.
Natascha Miljkovic und Markus Koisser, zwei typische "Arbeiterkinder", kennen die Bedenken und Ängste aus dem Elternhaus und haben sich trotzdem der Herausforderung Studium gestellt - und ihren Abschluss geschafft. Im Rahmen der Initiative Arbeiter-kind.at - entstanden als "Ableger" der 2008 von der deutschen Doktorandin Katja Urbatsch gegründeten Mentoringplattfom Arbeiterkind.de - geben sie ihre Erfahrungen an Jugendliche weiter, die als erste in ihrer Familie studieren wollen.
"Jeder kann’s schaffen"
Etwa zehn Personen umfasst derzeit der harte Kern jener Wiener Mentorinnen und Mentoren, die Schülerinnen und Schüler aus "bildungsfernen" Schichten zum Studium ermuntern wollen. "Wir wollen den Jugendlichen vermitteln: Jeder kann’s schaffen, auch wenn er aus einer Familie stammt, wo es noch keine Akademiker gibt", erklärt Zoologin Miljkovic beim sommerlichen "Arbeiterkind"-Stammtisch im Wiener Café Votiv. Und ergänzt: "Für mich ist Bildung das Wichtigste im Leben."
Die Unsicherheit, mit der man sich als Student "aus einfachen Verhältnissen" auf dem fremden Uni-Terrain bewege, gepaart mit fehlender Unterstützung und Unverständnis seitens des Elternhauses sei eine große Hürde, sagt Wirtschaftsinformatiker Koisser. Er hätte sich jedenfalls leichter getan, hätte es die "Arbeiterkind"-Plattform schon zu seiner Studienzeit gegeben, sagt er. Wenn er jetzt Jugendliche berät, die die ersten Akademiker in der Familie werden wollen, will er ihnen vermitteln: Ihr seid nicht allein, es gibt viele, denen es genauso geht. Und das hat Wirkung. So mancher unsichere, ängstliche Schüler sei nach einem Gespräch mit ihr "um zehn Zentimeter größer" weggegangen, freut sich Miljkovich.
Die Ehrenamtlichen treffen sich einmal im Monat zum Gedankenaustausch, Gäste - künftige Studenten oder Mentoren - sind herzlich willkommen. Beim August-Termin in Wien ist die Gruppe überschaubar: Eine Handvoll Ehrenamtlicher hat sich trotz Sommerhitze für ein paar Stunden zusammengesetzt, um die nächsten Termine und Aktivitäten zu besprechen. So will man etwa im Oktober bei der ersten Wiener Freiwilligenmesse und im November auf der AK-Bildungsmesse vor Ort sein und Studienwillige mit Rat und Tat unterstützen. Selbstverständlich werden auch Akademikerkinder oder Eltern beraten, sagt Miljkovich.
Geldgeber gesucht
Unterdessen bemüht sich Arbeiterkind.de-Gründerin Katja Urbatsch um Geldgeber für den österreichischen Ableger Arbeiter-kind.at. Während in Deutschland mittlerweile zehn angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Aktivitäten von rund 5000 ehrenamtlichen Mentorinnen und Mentoren koordinieren, gibt es in Österreich bislang weder Büro noch Ansprechperson. Die Fluktuation unter den Ehrenamtlichen ist entsprechend hoch.
"Wir sind gerade dabei, in Wien einen Verein mit Adresse zu gründen", sagt Gründerin Urbatsch. "Darüber hinaus versuchen wir bereits seit einiger Zeit, Förderer für eine hauptamtliche Stelle in Wien zu gewinnen."