Ziel der geplanten Steuerreform ist es, kleinere und mittlere Einkommen zu entlasten. Die Entlastung dieser ist allerdings nur zum Teil über die Steuern möglich. Einige Fakten vor der Reform.
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Wien. Donnerstag und Freitag ist Regierungsklausur. Hauptthema ist die Steuerreform 2020: Zwar ist das Volumen - ob fünf Milliarden Euro oder doch weniger - im Moment noch strittig. Einig sind sich ÖVP und FPÖ aber beim Ziel, die Steuer- und Abgabenquote in Richtung 40 Prozent zu senken und: "Besonders Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen sollen ab 2020 entlastet werden", wie es schon seit Wochen von Regierungsseite heißt.
Genau das ist aber über eine Steuerreform nur zum Teil möglich, wie Steuer- und Wirtschaftsexperten meinen.
Nicht nur Steuern, auch Sozialversicherung belastet
Insgesamt gibt es 6,9 Millionen Lohnsteuerpflichtige in Österreich. Davon allerdings liegt mehr als ein Drittel, konkret 2,4 Millionen, wegen eines sehr geringen Jahreseinkommens unter der Steuerfreigrenze von 11.000 Euro. Das bedeutet, sie führen zwar - sofern es sich zum Beispiel um Ferialarbeit handelt - Lohnsteuern ab, erhalten diese aber wieder zurück. Diese Gruppe kann demnach überhaupt nicht über eine Steuertarifreform entlastet werden. Obwohl sie über Sozialversicherungsbeiträge jährlich 1,5 Milliarden Euro an Abgaben leisten.
Weitere 1,4 Millionen Steuerpflichtige sind jene, die in die Tarifstufe zwischen 11.000 und 18.000 Euro fallen. Diese Gruppe ist wiederum durch die Sozialversicherung weit deutlicher als durch die Steuer belastet: Mit 3,4 Milliarden Euro pro Jahr sind ihre Sozialversicherungsbeiträge insgesamt mehr als drei Mal so hoch wie ihre Lohnsteuern. Davon bezahlt diese Gruppe eine Milliarde Euro.
Erst in der Gruppe mit einem zu versteuernden Einkommen von 60.000 Euro und mehr machen die Lohnsteuern mehr aus als die Sozialversicherungsbeiträge.
Nicht nur Lohn-, sondern auch Konsumsteuern belasten
Eine in großen Abständen regelmäßig durchgeführte Studie des Wifo zur Umverteilung über Steuern, Abgaben und Sozialleistungen aus 2016 mit Daten von 2010 zeigt darüber hinaus, dass die effektive Steuerbelastung gar nicht so extrem unterschiedlich ist. Die Steuern auf unselbständige Erwerbstätigkeit seien vielmehr generell "besonders hoch". Der Steuersatz lag mit 37 Prozent im unteren Einkommensdrittel kaum geringer als die 45 Prozent im oberen. Betrachtet man nur die Einkommen aus Erwerbstätigenhaushalten - also ohne jene von Pensionisten, die keine Pensionsbeiträge und damit geringere Sozialversicherungsabgaben bezahlen sowie ohne jene, die alleine mit Transferleistungen auskommen müssen, zeigt sich ein noch geringerer Unterschied bei der Abgabenbelastung: Das Drittel mit den geringsten Einkommen leistet 43 Prozent, jenes mit mittleren und jenes mit den oberen Einkommen dagegen rund 46 Prozent.
Dafür gibt es zwei Gründe: Die Sozialversicherungsbeiträge sind mit einer Höchstbeitragsgrundlage gedeckelt. Im Vergleich zum Einkommen sinkt ihr Anteil deshalb bei den 20 Prozent der Österreicher mit den höchsten Einkommen wieder. Der zweite Grund sind indirekte Steuern auf Konsumgüter: Bei jenen mit den kleinsten Löhnen und Gehältern machen solche indirekten Steuern einen deutlich höheren Anteil am Einkommen aus, als bei jenen mit höheren.
Zusätzliche Entlastungen für kleine Einkommen
Wifo-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller könnte sich folglich auch eine Entlastung bei Konsumsteuern vorstellen, "nicht bei jenen, die Verhalten lenken sollen", Mineralöl haben eine ökologische Komponente, jene auf Tabak sollen gesundheitsschädliches Verhalten eindämmen. "Worüber man nachdenken kann, ist, die große Liste an ermäßigten Umsatzsteuersätzen einzuschränken", sagt Schratzenstaller - darunter zum Beispiel jene auf Schnittblumen oder Hotelübernachtungen.
Die Nachteile einer solchen Entlastung: Der Einzelhandel würde sie möglicherweise nicht weitergeben. "Sie wäre wenig treffsicher und bietet keine Anreize am Arbeitsmarkt", sagt die Steuerexpertin. Alternativen für die Entlastung jener mit vergleichsweise geringen Einkommen sind Negativsteuern oder ein Senken der Sozialversicherungsbeiträge. Das sieht auch IHS-Steuerexperte Benjamin Bittschi so.
Allerdings gibt es auch hier Für und Wider: Beide Varianten sind zwar ein Anreiz dafür eine Erwerbsarbeit auszunehmen, zugleich aber auch, das wenige Stunden zu tun, "also eine Teilzeitförderung", sagt Bittschi. Gegen das Senken der Sozialversicherungsbeiträge spricht, dass damit auch die Leistungen sinken könnten, was auch Dominik Bernhofer, Steuerexperte der Arbeiterkammer befürchtet. Die Negativsteuer sieht man erst, wenn man die einbezahlten Sozialversicherungsbeiträge wieder zurückerhält, also im Nachhinein - Berndorfer schlägt deshalb vor, sie schon für 2019 geltend zu machen: "Dann werden alle schon 2020 entlastet."